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Wolfgang Müller - Über die Unruhe

Wolfgang Müller- Über die Unruhe

Fressmann / Indigo
VÖ: 14.12.2012

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Zimmer mit Aussicht

Die Fenster-Philosophie ist ebenso einfach wie einleuchtend: Kein Flügel funktioniert ohne den passenden Rahmen. Nur Kaputtes öffnet sich von selber. Wer Licht will, sollte den Vorhang zur Seite ziehen. Und: Wenn mit der Dichtung was nicht stimmt, regnet es rein. Davon kann bei Wolfgang Müller jedoch keineswegs die Rede sein - seine feinsinnige Poesie ist nach wie vor wasserdicht. Allerdings diagnostiziert er "eine bipolare Störung der Großwetterlage Hamburg". Und jeder Hobby-Meteorologe weiß, was das bedeutet: Sturmwarnung. Das Leben schlägt Wellen, literweise, Müller schleppt Sandsäcke, liederweise, und "Ahoi", so der Titel seines vor anderthalb Jahren erschienenen Akustikalbums, würde auch in diesen 42 Minuten einige Anlegestellen finden.

Von besagtem Werk kennt man bereits Akustikversionen der Stücke "Immer noch Fahrrad" und "Fast wie von selbst", die von den Absonderlichkeiten der Langzeitliebe erzählen. Vom Miteinander, das zum Nebeneinander wird und trotzdem kein Ohneeinander sein will. Die alte Liebe hat es nun sogar aufs Albumcover geschafft, und mit ihr eine kaum versteckte Erkenntnis: Falten sind nichts anderes als Lesezeichen. Auch der Blick aus dem Fenster ist deutlich zu sehen, und es ist die Häkelgardine zwischen dem Innenleben und der Welt da draußen, die Müller zum Klingen bringt. Er umgarnt kunstvoll die Alltagsnähte, und das nicht bloß mit Luftmaschen. "Die Leute, die Betroffenheit gekauft haben / Haben sich auch für Unglück interessiert", singt er in "Havarieren" und stellt im Titeltrack fest: "Auf dem Schrottplatz der Visionen / Schämt sich der Wind nicht, wenn er heult."

Lyrisch ist das die Unruhe während des Sturms, musikalisch eher die Ruhe danach. Die Akustikgitarre ist auch auf Müllers drittem Studioalbum so etwas wie das schützende Wartehäuschen bei Dauerregen. Und zugleich der rettende Bus, der sich und andere in die einzig richtige Richtung bewegt. Personennahverkehr in seiner schönsten und unobszönsten Ausprägung. An Bord eine handverlesene Auswahl erstklassiger Musiker, den Schlagzeuger etwa teilt der Hamburger Singer-Songwriter sich mit dem geschätzten Gisbert zu Knyphausen. Müllers Ensemble empfiehlt sich durch zurückhaltende Indie-Folk-Natürlichkeit und Akzente an den richtigen Stellen: Eine Steelguitar verleiht "Was Grünes" hübsche Americana-Nuancen, ein Cello veredelt "Unter freiem Himmel", und im finalen "Hinter den Häusern" wird gar lieblich geflötet.

"Ich glaube fest daran / Hinter den Häusern fängt das Meer an / Hinter den Schienen gleich die Dünen / Solang wir nicht nachsehen gehen" - der 37-Jährige ist hin und wieder auch ein wunderbarer Luftschlossbauer, weil er die Architektur der Realität begriffen hat. Er covert würdevoll "Trost im Stich" von Erdmöbel, gesteht im herrlichen Opener "Auf die Füße", dass er kein Wort mehr über Liebe verlieren kann, ohne laut zu lügen, und verrät spätestens im heimlichen Chanson "Einmal eins" seine klassische Gitarrenausbildung - dank der seine Klampfenkleinode stets wie feinste Intarsienarbeiten klingen. Verziert mit all den Dingen, die Müller vom Leben gelernt hat. Die wichtigste Lektion der Fenster-Philosophie ist übrigens diese hier: Wenn Gutes ans Fenster klopft, öffne ihm am besten gleich die Tür. Man munkelt, dass es derzeit in Begleitung einer Gitarre unterwegs ist.

(Ina Simone Mautz)

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Highlights

  • Auf die Füße
  • Immer noch Fahrrad
  • Hinter den Häusern

Tracklist

  1. Auf die Füße
  2. Unter freiem Himmel
  3. Immer noch Fahrrad
  4. Lächeln und Nicken
  5. Havarieren
  6. Was Grünes
  7. Trost im Stich
  8. Fast wie von selbst
  9. Über die Unruhe
  10. Einmal eins
  11. Hinter den Häusern

Gesamtspielzeit: 42:45 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Boston
2012-12-22 15:30:06 Uhr
Gute Musik. Aber die Stimme ist manchmal ein bisschen zu monoton.
und wie wir uns zeitlebens abmühen für nichts und gar nichts
2012-12-22 12:58:42 Uhr
Nils Frevert ist besser!
Frä
2012-12-22 11:24:22 Uhr
klug und sehr stimmig

Kurz gesagt: Musik für die Uni oder fürs Kloster.
musie
2012-12-22 11:10:29 Uhr
was für ein grossartiges album! klug und sehr stimmig
Michael
2012-11-27 23:36:45 Uhr
Soeben aus dem Briefkasten geholt und jetzt gerade der erste Hördurchgang bei mir. Freue mich sehr drauf.
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