Andy Stott - Luxury problems
Modern Love / Rough Trade
VÖ: 29.10.2012
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Salto mortale
Gefühlslosigkeit und Abstumpfung sind zwei Formen der Reaktion auf die gesellschaftlichen Begebenheiten, die lediglich einen düsteren Ausblick auf die Zukunft erlauben. Gleich der erste Track des zweiten Albums von Andy Stott leitet da einen mit seinem Titel in die Irre, denn "Numb" ist so gar nicht kalt und gefühlslos, sondern umschließt einen förmlich mit dem Gesang von Alison Skidmore. Auf "Luxury problems" wirkt Stotts ehemalige Klavierlehrerin oftmals als treibende Kraft und gibt Halt in der dunklen Welt der Luxusprobleme. Die acht Stücke zwischen Pop, Dub und Ambient enden nie da, wo man es erwarten könnte. Eine rhythmische Raffinesse folgt der nächsten, ohne dass jedoch die Gefahr aufkommt, nicht mehr folgen zu können.
Das Eröffnungsstück "Numb" baut Atmosphäre auf, Soundsequenzen und Skidmores Vocals werden bis nahe an die Grenzen des Wahrnehmbaren geloopt, bevor "Lost and found" die Zügel ein wenig fester zurrt und den Bass noch tatkräftiger schlagen lässt. Einzelteile aus einem Gesamtkunstwerk herauszulösen stellt stets eine schwere Aufgabe dar, hier ist sie zudem auch ein wenig unnötig. "Luxury problems" wird erst in seiner Gesamtheit zu dem, was es ist: ein atemberaubendes Kleinkunstwerk, das eine Fülle an musikalischer Akrobatik aufbietet, so wie es schon das Coverbild der Turmspringerin suggeriert. Die Oszillation zwischen Anstrengung und Euphorie gelingt hier mit viel Athletik und Ästhetik. Es ist beinahe ein Salto mortale zwischen verschiedenen Genres.
Sollte sich das Album dem Pop einmal zu sehr annähern wie im schönen und vielleicht eingängigsten Stück "Hatch the plan" werden jegliche Offerten und Handreichungen alsbald ausgeschlagen und konterkariert. Schon der 4/4-Takt, die Kickdrums und das zurückgenommene Tempo im darauf folgenden "Expecting" machen Hoffnungen auf Easy Listening wieder zunichte. Das erwartet auch niemand. Doch wie Stott und Skidmore kongenial mit verschiedenen Einflüssen spielen, sie emporheben, um sie im nächsten Augenblick gleich wieder zu zerreißen, ist mehr als nur beeindruckend. Das funktioniert mit großen Kopfhörern im Sessel ebenso wie unter der Glitzerkugel im Club des Vertrauens.
Mit "Leaving" hat das Album dann auch den perfekten Rausschmeißer, der den Weg in die Dunkelheit weist. Noch einmal haucht die Stimme von Skidmore dem Geschehen Leben ein. Ein paar Synths, ein Metronom und schon klingen die Luxusprobleme, als seien sie der Mittelpunkt der Welt gewesen. Sind sie selbstverständlich nicht, dennoch oder gerade deswegen wirkt das Album nach. Eine sportliche Leistung ist das. Das macht Hoffnung und Lust auf mehr. Und jetzt ein wenig Licht, bitte!
Highlights
- Numb
- Expecting
- Leaving
Tracklist
- Numb
- Lost and found
- Sleepless
- Hatch the plan
- Expecting
- Luxury problems
- Up the box
- Leaving
Gesamtspielzeit: 48:51 min.
Referenzen
Burial; Nicolas Jaar; Fort Romeau; Milanese; Oneohtrix Point Never; Gonjasufi; Dean Blunt & Inga Copeland; Clams Casino; DIIV; Animal Collective; Panda Bear; The Avalanches; Laurel Halo; Chromatics; Shackleton; Flying Lotus; Sand Circles; Holy Other; Demdike Stare; Raime; XXYYXX; Kode9; Thomas Köner; Lindstrøm; Lindstrøm & Prins Thomas; Ricardo Villalobos; The Field; Pole; Skream; MJ Cole; The Artful Dodger; Digital Mystiks; Goldie; Leftfield; Massive Attack; Portishead; Aphex Twin; Gus Gus; Basic Channel; DeepChord; Scuba; Magnetic Man; Katy B; Jamie Woon; Mount Kimbie; Four Tet; Silent Servant; The Black Dog; Monolake; Pantha Du Prince; The Hundred In The Hands; Hercules And Love Affair; Underworld; Luomo; Vladislav Delay; Philip Glass; Brian Eno; James Blake; Thom Yorke; Radiohead
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