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Paws - Cokefloat!

Paws- Cokefloat!

Fat Cat / PIAS / Rough Trade
VÖ: 30.11.2012

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Der letzte Rotz

Sommer vor einigen Jahren. Es war heiß, das Bankkonto leer und die Gier nach Freiheit größer als je zuvor. Wann immer es ging, zog es einen nach draußen, um die Welt oder wenigstens ein Stückchen davon zu sehen und neue Dinge zu erleben. Umgeben von Leuten, die diesen Drang auch empfanden, lebte es sich für eine Weile irgendwie einfacher, obwohl die Dinge eigentlich eher schwierig waren. Auf Konventionen wurde gepfiffen, eigene Regeln wurden aufgestellt und je nach Bedarf wieder gebrochen. Nachts saß man im Auto, die Fenster wurden runtergekurbelt, und bis 4 Uhr quatschte man sich die Seele aus dem Leib, bis es nichts mehr zu reden gab und man gemeinsam schwieg. Und selbst das war großartig. Nach genau so einem Sommer klingt "Cokefloat!", das Debütalbum der schottischen Band Paws. Und wer ihn nicht selbst erlebt hat, wird es sich beim Hören dieser Musik wünschen.

"Cokefloat!" bietet dem Hörer keine Gummihüpfburg zum Austoben, kein Taschentuch zum Tränenwegwischen, erst recht keine kuschlige Ecke zum Ausruhen und ganz und gar nicht Poppunk, wie es Paws fälschlicherweise zugeschrieben wird. Dumpf, rau und kratzbürstig klingt das Trio um Sänger Philip Taylor, der auf einigen Songs den Krebstod seiner Mutter zum Thema macht. Keine leichte Kost also. Und wenn bereits in den ersten Sekunden vom Opener "Catherine 1956" die Worte "She wasn't just my mother / She was my friend / My good friend" erklingen, weiß man zumindest, worauf man sich einlässt. Schnodderig klingt der gerade 22-Jährige, beinahe gleichgültig. Hier hat einer ebenfalls seine eigenen Regeln aufgestellt.

Noch einen Tick hektischer kommt "Bloodline" daher, das Erinnerungen an die letzte Wavves-Platte weckt und dessen Text gleichermaßen vor Unschuld rührt und aufgrund der traurigen Doppeldeutigkeit nachdenklich stimmt. Das zynische "Jellyfish" zeugt von der jugendlichen Energie und Spielfreude der drei jungen Männer, während "Sore tummy" Teenage Fanclub Tribut zollt und den Hörer direkt wieder in diesen Sommer damals befördert, ins Auto, auf in eine Welt, die man bisher nicht kannte. Eine Verschnaufpause gibt es auf "Cokefloat!" nur ein einziges Mal dank des akustischen "Get bent". Nach Lagerfeuerromantik zu zweit klingt aber selbst das nicht, eher nach einer durchzechten Nacht mit den besten Freunden mitten im Feld. Und Katerstimmung. Macht nichts. Im Gegenteil. "Fuck you, I don't need you anyway", das trifft es manchmal eben besser.

Es gibt sie eben nur noch selten, diese Momente, in der man einen Rotz darauf gibt, was andere denken oder sagen, in denen es einem selbst völlig egal ist, welche Konsequenzen das eigene Handeln haben kann. Geht ja irgendwann auch nicht mehr. Umso besser, wenn einen Musik von Zeit zu Zeit wieder genau an den Punkt im Leben führt, an dem es noch möglich war. Da wäre dann etwa "Boregasm", dessen Titel schon verrät, dass es hier nicht um Verantwortung oder Entscheidungsfreude geht, sondern darum, seiner infantilen Neigung mal wieder nachzugeben und im Bettengeschäft auf die Matratzen zu springen - oder sich wenigstens daran zu erinnern, das mal gemacht zu haben. Spätestens mit dem letzten Stück "Poor old Christopher Robin" wird man ohnehin wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt: Der Sommer von damals ist vorbei, der Dreck unter den Fingernägeln weg, die Tage dank der Arbeit immer etwas zu kurz. Wird mal wieder Zeit für eigene Regeln.

(Jennifer Depner)

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Highlights

  • Homecoming
  • Bloodline
  • Sore tummy
  • Winner's don't bleed

Tracklist

  1. Catherine 1956
  2. Jellyfish
  3. Homecoming
  4. Pony
  5. Bloodline
  6. Boregasm
  7. Sore tummy
  8. Get bent
  9. Tulip
  10. Miss American bookworm
  11. Bird inside birdcage, ribcage inside bird
  12. Winners don't bleed
  13. Poor old Christopher Robin

Gesamtspielzeit: 41:55 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
newss
2019-06-17 10:09:01 Uhr
Album 2019
Your Church On My Bonfire

Renzesion?
beef
2014-05-09 20:31:26 Uhr
lol:

http://www.independent.co.uk/arts-entertai*nment/music/news/morrissey-called-ego-maniac-after-spat-with-we-are-scientists-and-paws-9344399.html
noise
2012-12-29 01:12:06 Uhr
Habe erst jetzt mal reingehört. Macht Spass. Ähnlich wie Yuck, alter US-Indie, vielleicht nicht ganz so gut.
Werde sie mir jedenfalls besorgen.
MEIKL
2012-12-09 18:24:58 Uhr
für mich ist die platte ein absolutes highlight!! ganz großes tennis!!!
koe
2012-12-02 19:27:00 Uhr
Als Referenz wuerde ich noch Los Campesinos hinzufuegen.
Und irgendwie hoere ich auch manchmal Sum 41 raus :-)
Ergo: Trotz teilweise nicht einfachen Texten spassig.
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