Ty Segall - Twins
Drag City / Rough Trade
VÖ: 12.10.2012
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Kraterlandschaften
Ty Segall aus San Francisco - mal Band, mal Alleinunterhalter, mal Kollaboration - macht auch auf dem dritten Album in diesem Jahr nicht so viel anders als auf den beiden Alben zuvor - und damit alles anders als alle anderen. Die Harmonien sind wieder perfekt aus der Vergangenheit hervorgeholt, und die Drums schwingen sich freudetrunken zu Bestleistungsstürmen auf und fahren alles gegen die Wand. Mit "Slaughterhouse" und dem kurzen Glanzstück "Hair" in Zusammenarbeit mit White Fence spielte er sich schon in die Herzen von Fans und Kritikern. "Twins" kann als geglückter Schlusspunkt dieser Trilogie gelten, auch wenn es so gar keine schlüssige Erklärung dafür gibt, warum der Abschluss ausgerechnet "Twins" heißt. Sein Label Drag City findet dafür auch nur eine fadenscheinige Erklärung, verspricht jedoch, dass es sich bei "Twins" um den "mega-Segall-meteor of 2012" handelt. Es ist zumindest Segalls zugänglichstes Album geworden.
Für den Kulturmenschen ist es bekanntlich ein viel schwierigeres Unterfangen, gesund zu sein, als es für den Barbaren war, erkannte einst Sigmund Freud. Und Ty Segall zeigt hier in nuancierter Weise alle Facetten der Abweichungen von der Norm auf und wandelt stets leicht neben der Spur. Dem Kulturmenschen wird hier ein verschwommenes Spiegelbild vorgehalten. "Open our hand / Upon the sand / We are the children still", kündigt die säuselnde Stimme von Brigid Dawson (Thee Oh Sees) in der Vorabsingle "The hill" an. Das Stück mag einfach schwerelos auf der Klaviatur zwischen "Strawberry fields forever" der Beatles und Bowies "Little wonder" spielen und tut dies nahezu perfekt. Es schmeckt manchmal bitter, den Spiegel vorgehalten zu bekommen.
Annabel Mehran steuert zu Single und Album das passende künstlerische Artwork bei. Schon Joanna Newsom und St. Vincent setzte sie elegant in Szene. Hier folgt die Form der Funktion. Die Verwirrung ist groß, der Genuss jedoch auch. Auf den weiteren elf Stücken nimmt Segall zwischen Psych, Surf, Punk und Folk all das auf, was sich zwischen zwei und dreieinhalb Minuten in einen Song pressen lässt und was die Belastung der Instrumente hergibt. Die beiden ersten Songs "Thank God for the sinners" und "You're the doctor" geben hierbei Takt und Tempo vor. In dieser musikalischen Unaufgeräumtheit wird die Seele gereinigt. Lässt man sich nicht darauf ein, schaltet man sicher nach ein paar Sekunden wieder ab. Wer sich zu dem krachigen Trip länger hinreißen lässt, wird hingegen belohnt und bestens unterhalten.
Die Lo-Fi-Produktion von "Twins" nimmt sich erst gegen Ende wieder zurück. "Gold on the shore" und "There is no tomorrow" bringen Ruhe in den ganzen Lärm und zeigen, dass die Songs von Segall auch ohne viele Nebengeräusche harmonieren. Dass es bereits zuvor kein Morgen mehr gibt und alles gegen die Wand fährt, ist geschenkt. The mega-Segall meteor has landed.
Highlights
- Thank God for the sinners
- The hill
- Gold on the shore
Tracklist
- Thank God for the sinners
- You're the doctor
- Inside your heart
- The hill
- Would you be my love
- Ghost
- They told me too
- Love buzz
- Handglams
- Who are you
- Gold on the shore
- There is no tomorrow
Gesamtspielzeit: 35:41 min.
Referenzen
Thee Oh Sees; Epsilons; Black Lips; David Bowie; The Beatles; The Beach Boys; Brian Wilson; Dennis Wilson; The Chantays; The Surfaris; Cults; Wavves; Girls; Wild Nothing; Real Estate; Grizzly Bear; Dirty Projectors; Animal Collective; Ariel Pink's Haunted Graffiti; Royal Headache; Divine Fits; Japandroids; The Mooney Suzuki; Dan Sartain; The Strokes; The Vines; The White Stripes; The Warlocks; The Brian Jonestown Massacre; Lightning Bolt; The Count Five; The Stooges; MC5; The Sonics; The Black Keys; Grateful Dead; Thurston Moore; The Velvet Underground; Radiohead
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