Patterson Hood - Heat lightning rumbles in the distance
PIAS / Rough Trade
VÖ: 07.09.2012
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Raus aus der Depression
Manchmal lässt sich das Leben nur mit Kraftausdrücken beschreiben - oder besser: verfluchen. Die Oma stirbt, der Vater hat einen Herzinfarkt, man verliert seinen Job, und das am besten alles auf einmal. Selbst wer nicht an Schicksal oder ähnlichen Unfug glaubt, wird sich in solchen Situationen denken: Verdient hab ich das nicht. Patterson Hood macht aus diesen Momenten Musik. Mit seiner Band Drive-By Truckers und auf seinem mittlerweile dritten Soloalbum verarbeitet er gescheiterte Existenzen und gescheiterte Beziehungen mit viel lyrischem Feingefühl und Empathie zu berührenden, vertonten Kurzgeschichten.
Der Trick dabei ist, dass Hood der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit dabei nie das Feld überlässt, sondern in jedem Song - sei es musikalisch oder textlich - immer ein Funken Zuversicht als Vorbote besserer Zeiten mitschwingt. Für die kleinen und großen Alltagsdramen auf "Heat lightning rumbles in the distance" gilt das umso mehr, denn Hood wird außerhalb seines Bandkontextes und auf sich alleine gestellt so persönlich, dass sein Vollbart dem Hörer schon fast am Ohr kratzt.
Die instrumentale Begleitung ist dabei so passend wie effektiv. Hood schmückt seine Songs gelegentlich ein bisschen aus, fügt ein paar Streicher und Piano-Akkorde hinzu, schiebt das Schlagzeug in den Vordergrund oder kombiniert akustische und elektrische Gitarren zu hübschen Harmonien. "Disappear" ist so ein Song, in dem all das zusammentrifft. Das Klavier im Refrain öffnet einladend die Arme, Violinen unterstreichen die Strophen und die Gitarren halten das Tempo angenehm hoch. "Sometimes I hear words spoken underneath the song and I associate completely" singt Hood dazu und bringt damit auf den Punkt, warum manche Songs einfach unter die Haut gehen.
"After the damage" verhandelt das bittere Ende einer Beziehung, an deren Scheitern keiner so richtig Schuld ist, und wird im hinteren Teil gleichzeitig ein wunderbares Duett. "Better off without" und "Better than the truth" sind ein wenig rauer und trotziger, der Grundton von "Heat lightning rumbles in the distance" bleibt aber immer Folk und Country und nicht Rock'n'Roll. Denn obwohl die Songs im Bandgewand daherkommen, sind sie allesamt zu zerbrechlich für ein lautes Album. Am deutlichsten wird das bei "Depression era", dessen einsamer Akkord über die meiste Zeit so verloren im Raum steht wie der Protagonist des Songs. Kraftausdrücke wären da fehl am Platz. Patterson Hood flucht nicht einmal. Und wer ihm einmal ein paar Songs lang zuhört, braucht das vorübergehend auch nicht mehr.
Highlights
- 12:01
- Disappear
- Come back little star
Tracklist
- 12:01
- Leaving time
- Disappear
- Better off without
- (Untold pretties)
- After the damage
- Better than the truth
- Betty Ford
- Depression era
- Heat lightning rumbles in the distance
- Come back little star
- Fifteen days (Leaving time again)
Gesamtspielzeit: 44:54 min.
Referenzen
Drive-By Truckers; Jason Isbell And The 400 Unit; Son Volt; Justin Townes Earle; Uncle Tupelo; Jay Farrar; Band Of Horses; Mumford & Sons; The Bottle Rockets; Tom Petty & The Heartbreakers; Bruce Springsteen; Bob Dylan; The Avett Brothers; Bright Eyes; Centro-Matic; Ryan Bingham; Lucero; Neil Young; Leon Russell; Dr. John; Amy LaVere; The Allman Brothers Band; Ryan Adams; Richmond Fontaine; The Jayhawks; Wilco; The Glands; Alabama Shakes