Joachim Witt - Dom
Columbia / Sony
VÖ: 28.09.2012
Unsere Bewertung: 1/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Damenschlüpfer im Wind
Es gibt nur eine Sache, die Menschen zur freudigen Eskalation treibt: Engel mit Maschinengewehren. Das ist doch mal ein knackiges Symbol! Keine Harfe, nein, sondern eine vollautomatische Schusswaffe im Video zur Single "Gloria"! Und Joachim Witt meint das ernst! Aber gut, der Robinson Crusoe der NDW hatte ja noch nie etwas übrig für Ironie oder Augenzwinkern. Gestrandet in der Gegenwart intoniert er auf seinem dreizehnten Werk "Dom" jeden der zehn Songs wieder mit dem gleichen Pathos, das Richard Wagner vermutlich die Tränen in die Augen getrieben hätte, wenn der alte Antisemit sich für Pop interessiert hätte. Was Witt sich vor ein paar Jahren mit "Pop" aufgebaut hat, zieht er konsequent weiter, auch wenn sich diesen Sound der Graf von Unheilig längst gemopst hat. Doch "Dom" funktioniert nicht für die Massen. Hoffentlich. Denn dafür ist alles, wirklich alles, zu dick aufgetragen auf diesem Album. Dagegen sind Engel mit Maschinengewehren ein lauwarmer Witz.
"Spüre diesen Krieg in mir, kämpfe einsam gegen diese Leere", schwimmt Witt in der Brandung seiner Seele in "Beben", das im Refrain dazu noch Streicher braucht, um die emotionale Zerrissenheit deutlicher zu unterstreichen. Aber "Defizit" da als Beschreibung zu wählen? Das würde einem Bankkaufmannazubi nicht einmal in der dunkelsten Stunde seiner Pubertät aufs Papier gehen. Witt trägt sprachlich so dick auf, dass seine Texte komplett in die Belanglosigkeit absinken. Vermutlich findet der gute Mann noch ein existenzielles Problem darin, wenn seine Milch morgens leer ist. "Die Kälte greift nach meinem Herzen. (Streicher setzen ein) Dieses Leid macht Schmerzen. (Dramatischere Streicher!) Ich denke an Dich. (Mehr dramatische Streicher!) Aber Milch, ich sehe Dich nicht! (Höchstdramatische Streicher, Chor, mehr Chor, mehr Streicher!)" Nur ein Vorschlag für die kommende Platte. Gesteigert wird sowas nur durch das abartige Geseier von "Blut", und man möchte Witt einen getragenen Damenschlüpfer schenken, damit das endlich ein Ende hat. Das Leben ist ein einziger Kampf, und Witt macht daraus einen Krampf. Es ist nicht fair, aber meine Fresse. Wie kann jemand so viel jammern, dessen Arsch in der Wohlstandsgesellschaft der westlichen Welt kackt?
Wer es schafft, dass seine Seele sich nicht vor Scham über diesen Mist auf "Dom" auflöst, kann sich auf "Untergehen" einstimmen, eine Zusammenfassung dieser Kakophonie. "Wir werden untergehen, um wieder aufzustehen." Es ist wieder das gleiche Schema, das Witt ständig benutzt. Darum sind auch wirkliche alle Songs auf die maximal ertragbare Länge gedehnt, packen den Refrain zur Not einfach nochmal am Ende aus. "Die Hoffnung stirbt zuletzt", intonieren er und eine Sängerin zum Abschied. Dabei liegt diese schon tot in ihrer Altbauwohnung, abgetreten durch Herzschmerzen. Und aus ihrem linken Ohr läuft ein dünnes Rinnsal aus Blut. Dadurch, dass Witt auf "Dom" alles so lange reitet, dass es nicht nur bedeutungsschwanger wird, sondern jeder Ton so klingt, als ob er gleicht wirft, hat diese Platte null, gar nichts, nada zu melden. Auf das beschworene Weltbild von "Dom" sollte jeder vernünftige Mensch verzichten können. Die anderen mögen es in ihre wöchentlichen Playlists packen, um ihre Leser zu ärgern. Letztendlich bleiben die Minuten dieses Albums eine unglaubliche Zeitverschwendung. Und jetzt: DRAMATISCHE SUPERSTREICHER!
Highlights
- -
Tracklist
- Gloria
- Jetzt geh
- Tränen
- Blut
- Königreich
- Beben
- Mut eines Kriegers
- Licht im Ozean
- Komm nie wieder zurück
- Leichtsinn
- Untergehen
Gesamtspielzeit: 51:00 min.
Referenzen
Unheilig; Wunder; Deine Lakaien; Eisblume; Eisbrecher; Rosenstolz; Nina Hagen; Wolfsheim; Rammstein; Megaherz; Goethes Erben; Deutsch Amerikanische Freundschaft; Rauhfaser; Wandfarbe; Lattenzaun; Holzmaserung; Lacrimosa; Extrabreit; Nu Pagadi; Oomph!; Steril
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