Sizarr - Psycho boy happy
Four / Sony
VÖ: 14.09.2012
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Danke gleichpfalz
Kann man machen: seinen Wohnsitz vom pfälzischen Kaff Landau statt nach Berlin ins weitaus unhippere Mannheim verlegen. Hauptsache, man denkt sich schon mit Anfang 20 so großspurige Künstlernamen aus, dass die dazu passende dicke Hose erst noch genäht werden muss. Geschadet hat es Fabian Altstötter, Philipp Hülsenbeck und Marc Übel jedenfalls nicht, dass sie als Musiker inzwischen Deaf Sty, $P-Money$ und Gora Sou heißen. Im Gegenteil: Ins Vorprogramm ging es für die drei bereits bei Kele Okereke oder Broken Bells - Letzteres auf Einladung von Danger Mouse höchstpersönlich. Schon die erste Sizarr-Single "Fake foxes" deutete nämlich eine Komplexität an, wie sie in deutschen Landen nicht gerade an der Tagesordnung ist. Und das Debüt geht gleich mehrere Schritte weiter.
Da muss man damit rechnen, dass zunächst Elektronik kokelt, danach Post-Punk grummelt und weltmusikalisches Trommelfeuer lodert, wenn nicht gerade tiefste Bassmusik-Frequenzen wühlen, wehe Folkweisen erklingen oder gar alles gleichzeitig übereinander herfällt. Dazu gibt Altstötter alias Deaf Sty mit kehlig-glamouröser, oft waidwunder Stimme den "Psycho boy" so eindringlich und ganz und gar nicht happy, als wolle er Scott Matthew und Justin Vernon geschlagen nach Hause schicken. Und so eröffnen "Run dry" und "Boarding time" dieses Album mit schmerzlich brütender Intensität und sich ständig selbst umkrempelnder Instrumentierung aus synthetischen Bläsermassiven, Tribal-Drums und strengen Percussion-Hieben - doch "Psycho boy happy" tarnt sich lediglich eingangs als Weiterführung von These New Puritans' "Hidden" mit Träne im Knopfloch.
Denn statt bloß ins zuckende Stroboskopgewitter verschlägt es Sizarr ebenso ans akustisch beklampfte Lagerfeuer, in finstere Wälder und in eine verstrahlte Indie-Disco. "Blade" fährt dunkle Synthie-Wolken auf und reißt sie dann mit barscher Stromgitarre auseinander, während "Tagedieb" im Stop-and-go-Modus mit dem Riff aus Cornershops "Brimful of Asha" Schlitten fährt. Bei "Word up" hebt bedrohliches Cello-Knurren nach Art von The Cures "A forest" an und bekommt erst mit Verzögerung die Kurve zum leidlich straighten Elektro-Pop. Zu diesem Zeitpunkt hat man sich aber längst daran gewöhnt, dass sich in "Cat mountaineer" Sequenzergeklingel gegen blickdichte Flächen und voluminöse Backbeats verschiebt oder "P B E W" sanft eine Folk-Miniatur auf ein spartanisches Rhythmusgebilde prallen lässt, das sich auch The xx hätten ausdenken können.
Doch auch wenn Sizarr ihre Songs stets mit musikalischer Weitgereistheit und höchster Umsicht bei den Arrangements ausstatten, verhandeln sie auch immer wieder die Nöte und Ängste liebeskranker Jungmenschen: "Would you ride my bicycle? / Tell your friends I'm your friend?" Fragen, die die Band bei aller blendender Raffinesse schon einmal so sehr umtreiben können, dass an einigen wenigen Stellen eine gewisse Ziellosigkeit durchscheint - auf einem ansonsten jedoch tadellosen Album, dem nichts ferner liegen könnte, als sich irgendwo anzubiedern. Und dass das Trio nicht müde wird, jede positive Rückmeldung seitens der Medien - vielleicht ja auch diese - dankbar zu betwittern, schieben wir einmal auf die juvenile Begeisterung, die auf "Psycho boy happy" zu durchweg erfreulichen Resultaten führt. Gern geschehen.
Highlights
- Boarding time
- Tagedieb
- Cat mountaineer
- Word up
Tracklist
- Run dry
- Boarding time
- Blade
- P B E W
- Tagedieb
- Cat mountaineer
- Icy Martini
- Mushin'
- Word up
- Purple fried
- Mulo
- Pocket Walt
Gesamtspielzeit: 48:12 min.
Referenzen
Alt-J; Bodi Bill; Efterklang; These New Puritans; Breton; Flash Fiktion; Django Django; Caribou; Manitoba; Four Tet; Radiohead; Thom Yorke; Atoms For Peace; Prefuse 73; Flying Lotus; The Gaslamp Killer; Apparat; Phantom Ghost; Animal Collective; Panda Bear; Home Video; Dntel; Shearwater; Yeasayer; James Figurine; Kid606; Bonde Do Rolê; Diplo; Radioclit; The Postal Service; The Sea And Cake; The Notwist; Bon Iver; Deerhunter; Menomena; Ramona Falls; Talk Talk; The Antlers; The xx; Scott Matthew; Devendra Banhart; Espers; Vetiver; Sigur Rós; Sufjan Stevens; Daedelus; Trentemøller; Poliça; James Blake; Hudson Mohawke; Fog; Boy In Static; The Books; Electric President; The Go Find; Hooray For Earth; Milagres; Röyksopp
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