Grizzly Bear - Shields

Warp / Rough Trade
VÖ: 14.09.2012
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Der richtige Ton
Wir möchten ja nicht schon wieder von Jahreszeiten und solchen Nichtigkeiten anfangen, aber dass die neue Platte von Grizzly Bear - aus Brooklyn, eh klar - im Frühherbst erscheint, ist schon extrem passend. Die Vögel fliegen gen Süden, die Bäume wechseln ihre Farben, man selbst kramt den ollen Wollschal aus dem Kleiderschrank und im Hintergrund spielen Ed Droste und seine Mitstreiter feinfühlige Stücke, die in ihrer verträumten Nonchalance vor allem jetzt Sinn ergeben. Da festigt sich der Eindruck, dass diese Band nichts dem Zufall überlässt. Schon immer klang bei dem New Yorker Quartett alles akkurat, selbst kleine Ausbrüche schienen wohl durchdacht, ohne dabei aber zu verkopft zu wirken. Mit Alben wie dem düster-romantischen Meisterwerk "Veckatimest" oder dem verspult-benebelten "Yellow house" fanden Grizzly Bear ihre Nische zwischen Psych-Pop und Folk-Rock. "Shields" ist nun ihre vierte Platte und lüftet mal ordentlich durch. Die Songs bekommen mehr Raum zum Atmen und können sich freier entfalten; die größtmögliche Verdichtung ist einer gewissen Leichtigkeit gewichen. Wobei Leichtigkeit in diesem Kontext natürlich relativ ist.
Grizzly Bear schlurfen also müden Blickes durch das gefallene Laub, wirken dabei aber nicht mehr ganz so schwermütig wie zuletzt. Sehnsucht und Melancholie geben dennoch den Ton an, so auch im Opener "Sleeping Ute", der gedankenverloren von Liebe in Zeiten der Distanz berichtet: "Dreamed a long day / Just wandering free / Though I'm far gone / You sleep nearer to me." Darüber hinaus gelingt Droste und Co. mit ebendiesem Stück der perfekte Brückenschlag, steht dieser Song den "Veckatimest"-Kompositionen doch eindeutig am nächsten, ohne sich jedoch auf die alte Erfolgsformel zu beschränken. Vollkommen anders gestaltet sich hingegen das elektrisch zitternde "Speak in rounds", welches sich im Laufe der viereinhalb Minuten zu einem der größten Songs aufschwingt, den Grizzly Bear bis dato verfasst haben. Die nervöse Gitarre, die in diesem impulsiven Klanggebilde die Hauptrolle zu spielen scheint, ertrinkt hernach in einem Meer aus nicht minder pulsierenden Drums und der exaltierten, aber herrlich klagenden Stimme von Droste, die einprägsam skandiert: "Take it as it is." Wer wäre man, würde man darauf nicht hören.
Bedeutend kraftvoller klingt das bereits bekannte "Yet again", und - wie sollte es auch anders sein - treiben Grizzly Bear auch dieses Stück behände an den Rande der Perfektion. Mit einer leichtfüßigen Eleganz traumwandelt das Stück zwischen Pop-Seligkeit und Anspruch und findet immer den richtigen Ton. In der zweiten Albumhälfte brillieren Grizzly Bear dann weniger auffällig, aber dennoch bestechend: Atmosphärisch dicht kulminieren Gitarre, Bass, Klavier, Drums und Bläser im aschfahl tänzelnden "What's wrong", großspurig pumpt der stoische Rhythmus durch den handfesten Sechsminüter "A simple answer". Und wenn das poppig-verspielte "Gun-shy" die Herbstnacht erhellt, dann wird einem sogar recht warm, wenn auch nur ums Herz. "Shields" endet folgerichtig auf großartige Weise: Das elegisch-fragile "Sun in your eyes" ist in seiner strahlenden Schönheit das majestätische i-Tüfpelchen, welches mit selbstbewussten Keyboard-Flächen jegliche Sehnsucht nach Sommer und Strand zerstäubt. Das kann und soll kein Zufall sein.
Highlights
- Sleeping Ute
- Speak in rounds
- Yet again
- Sun in your eyes
Tracklist
- Sleeping Ute
- Speak in rounds
- Adelma
- Yet again
- The hunt
- A simple answer
- What's wrong
- Gun-shy
- Half gate
- Sun in your eyes
Gesamtspielzeit: 48:07 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Graf Griffeck |
2019-01-09 23:17:10 Uhr
Blättern Sie um, hier gibt es nichts zu sehen! |
El Duce Postings: 116 Registriert seit 07.09.2018 |
2019-01-03 09:13:32 Uhr
@lumiko"the Suburbs" und "wake up" von Arcade Fire sind von ähnlicher Güte...bittersweet |
El Duce Postings: 116 Registriert seit 07.09.2018 |
2019-01-03 06:29:27 Uhr
Melancholie ist das Vergnügen, traurig zu sein. (V.Hugo) süsser Schmerz, lustvolle Qual...immer her damit ;) |
lumiko Postings: 1687 Registriert seit 09.09.2015 |
2019-01-02 11:33:18 Uhr
Höre gerade Gun-Shy rauf und runter.Ja, Grizzly Bear schaffen es unbeschwert und melancholisch zugleich zu klingen. Vergnügliche Melancholie trifft es sehr gut! |
MopedTobias (Marvin) Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion Postings: 20172 Registriert seit 10.09.2013 |
2019-01-01 12:27:34 Uhr
Oh Mann, gleich zwei super interessante Sessions an einem Tag verpasst :| Eins meiner Lieblingsalben der 10er-Jahre und ihre beste Platte. |
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Referenzen
Songs Of Green Pheasant; Papercuts; Fleet Foxes; The Impossible Shapes; DM Stith; Mercury Rev; Canon Blue; The Zombies; Love; Crosby, Stills, Nash & Young; The Rural Alberta Advantage; Animal Collective; Our Brother The Native; CocoRosie; Jim O'Rourke; Department Of Eagles; The Olivia Tremor Control; Grandaddy; The Double; The Incredible String Band; The Beach Boys; John Fahey; The Skygreen Leopards; Yeasayer; The Flaming Lips; August Born; Danielson; Super Furry Animals; Sparklehorse; Iron & Wine; Calexico; The Microphones; The Delgados; Final Fantasy; Anywhen; Tindersticks; Midlake; Modest Mouse; The Apples In Stereo; James Orr Complex; Currituck Co.; The Universe; The Morning Benders; Gorky's Zygotic Mynci; Yo La Tengo; Blur; Radiohead; Broken Social Scene
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