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Our Last Night - Age of ignorance

Our Last Night- Age of ignorance

Epitaph / Indigo
VÖ: 17.08.2012

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 3/10

Die Gesetzesbrecher

Brian Fallon von The Gaslight Anthem glaubt nicht an die Evolution der Arten, aber an Dinosaurier, wie er in einem Interview zugab. Und an den "Boss" natürlich - weiß man ja. Vielleicht weil Springsteen selbst ein Dinosaurier ist? Der alte Knochen aus New Jersey veränderte sich in seiner beinahe ein Menschenleben währenden Karriere öfter als andere seines Jahrgangs und wurde dennoch dieses versteinerte Fossil des Working-class-Rock, der er heute ist. Ob Fallon nun an eine Evolution von musikalischen Genres glaubt? New Hampshires Our Last Night tun es nicht nur, sondern zeigen auch, wie sie vonstatten geht. Sie schreiben Musik, welche sich der monochromen Monotonie des korallenhaft verhärteten Metalcore, seinen in Unsichtbarkeit verbleibenden Konventionen, nur scheinbar unterwirft. Denn Our Last Night greifen zwar auf dessen bereits vorhandene Muster zurück, ihr Drittwerk "Age of ignorance" vollzieht jedoch ebenfalls eine Mutation. Die hinter dem Album stehende Frage lautete wohl: Wie alteingesessenen Gesetzen entkommen? Die Antwort: Durch Kenntnis ihres Funktionierens.

So wittert das Post-hardcore-gewöhnte Ohr zunächst durchaus Konvention. Die da wären: spätestens seit Saosin dutzendhaft gehörtes Drauflosgedresche mit Melodien und Gesanghooks; schnell nach vorn gehend; dazu einige Breaks; ein liebestoller Flirt mit dem Emocore. Fertig ist die Retortenmusik. So einfach machen es sich Our Last Night allerdings nicht, denn sie suchen auch zahllos Unerschlossenes, will sagen: Seitenpfade und Nebenstraßen.

Schon der Opener "Fate" macht stutzig. E-Streicher wälzen sich wie ein weißer Wal in bester My-Dying-Bride-Erbfolge mit Chorälen in Richtung bombastischem Goth, bevor der Saosin-Metalcore geklotzt wird. Ein schwungvoll epischer Tritt gegen das Schienbein, dabei verspielt schnörkelig, metallen, mit einem verliebten Blick auf altes Hairspray-Gegniedel. "Send me to hell" ist tanzbar, die Melodie-Linie hängt an der Hüfte besser als eine 501. Schon bis "Age of ignorance" vollzieht sich ein präziser Durchbruch zu einer Klarheit von Melodie und Härte, die beide fabelhaft miteinander harmonieren. Klangbild und Gesang gehen dabei eine von Antriebsenergie frontal gepeitschte Verschmelzung ein, bis mit "Reason to love" dezente Beats Einzug halten. Our Last Night kennen die Konvention, spielen mit ihr, verändern sie und erzeugen einen Bastard, der das allmähliche Verschwinden seiner Gesetze feiert. Sie zeigen den Augenblick einer Übertretung, einer taumelnden Umdrehung inmitten ekstatischer Energie und eines Sturms im Moment des Durchbruchs - immer voran zur Gegenseite des vom Gesetz auferlegten Gewöhnlichen. Ihre Kraft aber entnehmen sie diesem Gesetz und stellen es zugleich in Frage.

Produzent David Bendeth, der schon alles zwischen Jeff Beck und Underoath unter der Fuchtel hatte, verhilft Our Last Night dabei zu einem homogenen, effektiv-drängenden Klang, der die Anleihen an 1980er Rock, 1990er-Alternative und 2000er-Post-hardcore zu einer Einheit zusammenfügt. Die großartigen "Conspiracy" und "Invincible" entpuppen sich als kleine Kraftpakete, die an die Physis gehen, auslaugen und nebenbei an allen Frequenzbereichen entlangschrammen. Mit Elektronika und Dunkel-Rock-Attitüden kulminieren die New Hampshirer zur Vervollkommnung, was eigentlich Schmalbrüste wie Birthday Massacre in ihrer Pipeline des musikalischen Ausdrucks haben - aber eben light und frisch aus der Retorte. Es ist eben doch eine Frage der Evolution.

(Peter Somogyi)

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Highlights

  • Fate
  • Reason to love
  • Conspiracy
  • Invincible

Tracklist

  1. Fate
  2. Send me to hell
  3. Age of ignorance
  4. Reason to love
  5. Liberate me
  6. Vioces
  7. Conspiracy
  8. Enemy
  9. Invincible
  10. A sun that never sets

Gesamtspielzeit: 33:08 min.

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