John Maus - A collection of rarities and previously unreleased material

Domino / GoodToGo
VÖ: 13.07.2012
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Gefrierbrand
In manchen Momenten fällt es schwer, die extremen Pole Hitze und Kälte auseinanderzuhalten. Prof. Dr. Karl-Friedrich Boerne urteilt: Kälteidiotie - ein dusseliger Schutzmechanismus des menschlichen Körpers, der einem Erfrierenden vorgaukelt, ihm sei heiß. Doch viel schöner wäre die Vorstellung, dass Kälte und Wärme einen gemeinsamen Nullpunkt erreichen. Sicher nicht auf der Suche nach ebendiesem Punkt ist der amerikanische Synthie-Freigeist John Maus, denn seine Musik konzentriert sich voll und ganz auf die eisigen Momente. Maus hat fast jede Wärme und Menschlichkeit aus seiner Musik - nennen wir sie einmal semi-misanthropischen Düster-Synthiepop - gestrichen und wirkt dennoch immer offen und in manchen Augenblicken gar regelrecht zugänglich. Auf seiner letzten Platte, "We must become the pitiless censors of ourselves", kreierte er einen originären Sound, der auch halbwegs mehrheitsfähig war. Nun erscheint eine Kollektion, die sämtliche Outtakes und weitere Spinnereien enthält und natürlich ziemlich gut geworden ist. Absurd gut, wenn man so will.
Nur konsequent: Maus' Songs tragen selbsterklärende Titel wie "Mental breakdown", "My hatred is magnificent" oder "I don't eat human beings", wobei das natürlich alles ziemliche Untertreibungen sind. Jedes Wort, das er vorträgt, klingt nach unheimlicher Selbstaufgabe und nach defätistischem Ehrgeiz, nach gleißender Todeslust und mechanischer Körperlichkeit. Er liebt das Girl aus "Bennington", wobei wir uns lieber nicht vorstellen, was er mit ihr und ihren "fucking eyes" macht, wenn er sie endlich in Grund und Boden gestalkt hat. Die hier versammelten Raritäten umweht allesamt ein dunkelgrauer Hauch, sie berühren den Hörer unweigerlich. Zu John Maus muss man eine Meinung haben, egal erscheint hier nämlich nichts. Er bestimmt die Spielregeln, er ist das Gesetz. Oder wie es im fantastischen Eineinhalbminüter "The law" heißt: "Don't laugh / When I'll ask you for the truth / You've got to say it / Don't tell me when it hurts / Cause I won't care." Nein, es tut ganz bestimmt nicht weh, John.
Großartig geht es weiter: "Castles in the grave" ist ein Song, der auf sämtlichen Wiederauferstehungen gespielt gehört, alleine schon wegen des herrlichen Gedudels. Doch neben diesen meist sehr eingängigen Stücken versteckt Maus natürlich auch abseitige Hirngespinste. "Lost" zum Beispiel klingt wie der Versuch, der Addams Family einen beliebigen Achtziger-Jahre-Hit unterzujubeln - oder zumindest so ähnlich. Bei alledem wird recht bald deutlich, dass Maus hier fest die Fäden in der Hand hält. Sein Repertoire ist vielfältig, unberechenbar, visionär und radikal. Seine Musik glitzert unheilvoll und atmet bedrückend. Nach den sechzehn Stücken hat er den Hörer dann endlich so weit. Wo ist oben und wo zur Hölle ist unten? Links und rechts, warm und kalt. Alles verschwimmt. Die Stimme im Kopf brummt: "Motherfuck / The fear is back." Den Kopf zum Abkühlen bitte eine Viertelstunde bei 190 Grad in den Backofen.
Highlights
- The law
- Castles in the grave
- Bennington
Tracklist
- North star
- The law
- Castles in the grave
- Angel of the night
- Mental breakdown
- Bennington
- Big dumb man
- No title (Molly)
- Lost
- All aboard
- This is the beat
- My hatred is magnificent
- The fear
- Fish with broken dreams
- Rock the bone
- I don't eat human beings
Gesamtspielzeit: 44:36 min.
Referenzen
Ariel Pink's Haunted Graffiti; Geneva Jacuzzi; Suicide; Hype Williams; Modern Talking; Holy Shit; Tickley Feather; Coil; James Ferraro; Maria Minerva; Jeans Wilder; Peaking Lights; New Order; Depeche Mode; Editors; Visage; Spandau Ballet; Joy Division; OMD; ABC; XTC; Panda Bear; The Janitors; R. Stevie Moore; Talk Talk; Cabaret Voltaire; Gary War
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