Ty Segall & White Fence - Hair
Drag City / Rough Trade
VÖ: 11.05.2012
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Das "Los!" in zeitlos
Verweigerung ist eine Haltung, die meist nicht zu Anerkennung führt. Warum das bei "Hair" von Ty Segall & White Fence nicht der Fall ist, bleibt kein Geheimnis. Die Verweigerung vor der Moderne, vor Fortschritt und vor allzu großen Harmonien ist so kurz und konsequent, dass der Nachfolger von Segalls "Goodbye bread" gar eine Wohltat geworden ist. "Hair" läuft nicht einmal eine halbe Stunde, spielt die Verweigerung gekonnt durch und wird vom Label Drag City sogar als Tape feilgeboten. Als Kassette! Diese zwangsläufige Reduktion auf eine bestimmte Albumlänge hatte auch immer etwas Gutes. Das Medium war die Botschaft und setzte den zeitlichen Rahmen für die Musik. So schlecht waren die alten Zeiten eben nicht. Ty Segall und Tim Presley alias White Fence bringen in acht "Songs" Garagenrock, Surf, Beat und Hard Rock irgendwie zusammen.
"Jeder weiß, dies ist nirgendwo", wusste Neil Young schon damals: Das erste Stück "Time" fährt mit Fuzzgitarren und Gepolter fort, wo Youngs "Everybody knows this is nowhere" zu melodieselig wird. Das anschließende orgellastige "I am not a game" deutet mit Verve an, dass das Jetzt doch nicht so fern zu liegen scheint. Improvisationskunst und Dekonstruktion reichen sich hier die Hand, nur um im darauffolgenden "Easy Ryder" jede Andeutung von Kenntnissen der Geschehnisse nach 1969 wieder zurückzunehmen: "They came from the skies / They came to get you high / They came to wash your mind." Ob auf der Kassette oder dem Vinyl nun 2012 oder 1969 draufsteht, ändert nichts an der Tatsache, dass hier Kurzweil regiert. Und die jetzt vorliegende CD wird 2055 vielleicht schon nicht mehr funktionieren.
"Hair" ist jedoch auch viel zu kurz, um sich darüber Gedanken zu machen. Die 29 Minuten sind ziemlich schnell durchgeprügelt. Mal werden Slogans in Endlosschleife wiederholt, ein anderes Mal wird der Folkrock ausgegraben. Das Motto des Albums lässt sich nicht besser zusammenfassen als mit "Enjoy everything", ein Slogan, der in "The black glove / Rag" genau so platziert wird, so dass in den jetzigen Krisenzeiten auch der Letzte daran glauben mag. Den wirklichen Geniestreich haben sich Segall und Presley bis kurz vor Schluss aufgehoben. Die Zeit drängt dann ja auch. In "Scissor people" wird das Tempo einmal bis zum Anschlag angezogen und letztlich ebenso brachial wie vorzüglich gegen die Wand gefahren. Im alles zermürbenden "Tongues" deutet das Duo mit einem knapp fünfminütigen Vorzeigejam das endgültige Ende an. Schön muss die Zeit gewesen sein, und die Suche nach der verlorenen Zeit von damals war es auch.
Highlights
- I am not a game
- Easy Ryder
- Scissor people
Tracklist
- Time
- I am not a game
- Easy Ryder
- The black glove / Rag
- Crybaby
- (I can't) get around you
- Scissor people
- Tongues
Gesamtspielzeit: 29:03 min.
Referenzen
Epsilons; Ariel Pink's Haunted Graffiti; The Yardbirds; The Kinks; The Beatles; George Harrison; The Stooges; The Sonics; MC5; ? & The Mysterians; The Seeds; The Count Five; Neil Young; Jay Reatard; Kurt Vile; The Strokes; The Vines; The White Stripes; The Raconteurs; Jack White; Japandroids; Black Lips; Mark Sultan; Julia Holter; Cults; Cloud Nothings; Zola Jesus; Royal Headache; Dusted; Wavves; The Surfaris; The Chantays; The Trashmen; The 5.6.7.8’s; The Men; Lotus Plaza; DIIV; Future Of The Left; The Kills; Dan Sartain; The Coral; The Doors; The Who; The Castaways; 13th Floor Elevators; Roky Erickson; The Electric Prunes; The Monks; King Crimson; Deep Purple; Led Zeppelin; Black Sabbath; Jerry Lee Lewis; Bo Diddley
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