Giant Giant Sand - Tucson
Fire / Cargo
VÖ: 22.06.2012
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Viel viel gut
Viel hilft viel. Den Spruch kennt man nicht erst dem Debüt von The Polyphonic Spree. Meist führt diese Devise allerdings zu einem völligen Overkill, für den es viele Namen gibt. Wall Of Sound. Kitsch. Oder einfach: Scheiße. Da muss schon ein gestandener Naturbursche wie Howe Gelb her, um zu zeigen, dass es auch völlig anders geht. Denn mit Spleen wäre seine Eigenart nicht nur deswegen völlig unangemessen verharmlos, weil der Begriff durch und durch britisch ist. Gelb ist aber nun einmal der große Dekonstrukteur der Americana. Wobei er diese am liebsten im Wüstensand verbuddelt, als sie einfach nur auseinander zu nehmen.
Dieses Mal hatte er eine größere Vision; eine, die ihm schon seit Jahren im Kopf spukte. Die vielen Stimmen, die er dort jedoch nicht hörte, holte er sich dann eben mit Brian Lopez, Gabriel Sullivan und Jon Villa zum Songschreiben dazu. Und auch Gelbs ohnehin schon transkontinentale Band wuchs durch ein Streichertrio auf zwölf Leute an. So groß war Giant Sand noch nie. Da war es keineswegs vermessen, noch ein passend großes Adjektiv davorzusetzen. Es schäme sich, wer Gelb jetzt der Einfallslosigkeit bezichtigt. Denn "Tucson" von Giant Giant Sand ist mal eben seine beste Platte mindestens seit "Chore of enchantment".
Dieses 27. Album der Band ist eine ungewaschene Country-Rock-Oper in 19 Songs. "Tucson" dreht sich um einen mittelalten Mann mit einer ausdrucksstarken kindlichen Naivität, der seiner Heimat entkommen will und sich auf einen Roadtrip begibt. Es ist völlig egal, welche autobiografischen das tragen mag. Wenn schon der Opener "Wind blown waltz" im trägen Dreivierteltakt genau das ist, was sein Titel verspricht, hat man die Story schon ins Herz geschlossen. Und schon seinem zweiten Song reißt Gelb einer seiner vielen Freunde das muntere Boom-Chicka-Boom unterm Hintern einfach in Richtung mexikanischer Grenze weg. "Adios, loser" croont es zu plötzlich weinenden Geigen. Der Song nimmt den zerrissenen Verlauf der Roadstory schon vorweg.
Es ist durch ein Labyrinth aus Kakteen und kargem Fels. Das wunderbare "Detained" schlurft an fahrigen Akkorden vorbei in Richtung Rio Grande. "Love comes over you" stürzt sich mit reichlich Tremolo in ein geigenverzehrtes Drama. Mit bezaubernder Raffinesse verleihen in "We don't play tonight" Pedal-Steel, Bläser, Akkordeon, Klavier und Telecaster-Twang der schäbigen Diner-Atmosphäre einen matten Glanz. Das sonnengegerbte "The sun belongs to you" klingt, als stünde Tom Waits einer deprimierten Mariachi-Band vor. Mit solchen Verbeugungen vor den lateinamerikanischen Nachbarn richtet Gelb nebenbei auch noch einen schönen Gruß an die untreuen Gesellen von Calexico aus. Dabei hat Gelb Vergangenheitsbewältigungen längst nicht mehr nötig. Wenn er es darauf angelegt hätte, hätte "Tucson" sein Meisterstück werden können. Zum Glück klappte das ganz anstrengungslos auch so.
Highlights
- Wind blown waltz
- Detained
- Undiscovered country
- Love comes over you
- The sun belongs to you
Tracklist
- Wind blown waltz
- Forever and a day
- Detained
- Lost love
- Plane of existence
- Undiscovered country
- Love comes over you
- Thing like that
- The sun belongs to you
- We don't play tonight
- Ready or not
- Mostly wrong
- Hard morning in a soft blur
- Recovery mission
- Slag heap
- Not the end of the world
- Carinito
- Out of the blue
- New river
Gesamtspielzeit: 69:54 min.
Referenzen
Giant Sand; Howe Gelb; M. Ward; Calexico; The Band Of Blacky Ranchette; OP8; Friends Of Dean Martinez; Nick Cave & The Bad Seeds; The Birthday Party; The Mekons; Tom Waits; Vic Chesnutt; Johnny Cash; Merle Haggard; Kris Kristofferson; Willie Nelson; Hank Williams; Arlo Guthrie; Lambchop; Kort; Cortney Tidwell; Mark Lanegan; Black Heart Procession; Willard Grant Conspiracy; Creedance Clearwater Revival; Neil Young; Lou Reed; The Velvet Underground; Hank Shizzoe; Bruce Springsteen; Tom Petty; Cracker; Smog; Bonnie 'Prince' Billy; Iron & Wine; Wilco; Loose Fur; Califone; Jim O'Rourke; Mark Knopfler; Dire Straits; Louis Armstrong; Frank Black & The Catholics; Black Francis; Pixies; Bright Eyes