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Fiona Apple - The idler wheel is wiser than the driver of the screw and whipping cords will serve you more ...

Fiona Apple- The idler wheel is wiser than the driver of the screw and whipping cords will serve you more ...

Epic / Sony
VÖ: 15.06.2012

Unsere Bewertung: 9/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Spontan durchgeplant

Sieben Jahre. Auf welches Stück Musik hat man das letzte Mal ähnlich lange gewartet, ohne auch nur einen Gedanken an den Liebesentzug zu verschwenden? Auf Nine Inch Nails' "With teeth" ganz sicher. Auf die "10,000 days" von Tool vielleicht. Auf Tori Amos hätte man sicherlich ewig gewartet, zumindest vor ihren mittelmäßigen Alben der letzten Jahre. Große Namen also und zudem der klassische Nerd-Kram halt, der schon immer die Fanatiker umgetrieben hat. Jene, die wütend genug sind, sich nicht mit Bright Eyes und dem Rotwein zu begnügen. Und jenen, denen es dann doch auf den Sack ging, wenn besoffene Radiohead-Fans auf der WG-Party nachts um halb vier zum Loblied ansetzen.

Fraglos, zwischen den vielen Jungs würde sich Fiona Apple unwohl fühlen. Wie meist unter Menschen. Aber in diese Liga gehört sie. Sie ist eines der Postergirls der KulturwissenschaftsstudentInnen, die trotz aller Autoritätsdekonstruktionen endlich mal wieder heftig anschmachten wollen. Womit wir bei der eigentlichen Frage wären: Wie waren denn die Platten, auf die man so treu und sehnsüchtig gewartet hat? Wurde die Twilight-Keuschheit belohnt? Seien wir ehrlich: Von den Jahrzehnt-Alben der Größe "The fragile" oder "Aenima" haben sich die Herren da oben nie erholt. Und Tori in den letzten Jahren? Nun ja, lassen wir das. In Würde zu altern ist zumindest anders.

Fiona Apple musste also jahrelang fertig werden mit "Extraordinary machine" von 2005. Und nicht zu vergessen: Da war das in seiner Abgründigkeit noch stärkere "When the pawn..." von 1999. Alben, die wie eine Wand hinter Fiona Apple stehen und gegen die sie die fiese Journaille mit Genuss drücken würde. Nun, das Problem wird in Zukunft leider nicht kleiner werden. Denn Album Nummer vier mit dem einmal voll zu zitierenden Titel "The idler wheel is wiser than the driver of the screw and whipping cords will serve you more than ropes will ever do" reiht sich hier problemlos ein und entfacht einen Streit darum, welches übergroße Werk denn nun zum größeren Ballast werden wird.

Fiona Apple schreibt auf "The idler wheel ..." die Musik für diejenigen, denen Tori zu viel Gläserrücken spielt und Ani DiFranco zu viel Gitarre. Denen Björk mittlerweile zu wenigen Paparazzi an die Gurgel geht und Lana Del Rey zu viele Fans hat. Nichts, was in diesem Jahr zwischen Indie und Pop veröffentlicht wurde und werden wird, wird Apples Lebenszeichen wohl in den Schatten stellen. Produziert hat sie diesmal mit ihrem Schlagzeuger Charley Drayton, und das ist durchaus zu bemerken: "The idler wheel..." wirkt reduziert, fast minimalistisch, häufig sind es nur zerhackte Klavierakkorde, die sich zusammentun mit einem Groove, einem Trommelwirbel, der manchmal wirkt, als wäre er eher nebenher auf der Tischplatte in die Nacht geklopft.

Aber das ist natürlich nur der rote Teppich, auf dem Apple sich in Posen wirft. "The idler wheel..." ist ihr Werk, es sind ihre Geschichten, die sie mal zornig herausbellt, mal mit Anmut vorträgt. Der giftig hineintropfende Groll in "Regret" - die Trauerstimmung würde alles Licht schlucken, wenn die folgende Süße von "Anything we want" einem nicht sofort wieder warm ums Herz werden ließe: "Then we grow up / take our clothes off / And you remind me / That I wanted you to kiss me / When we find some time alone". Was auf "Extraordinary machine" ab und an noch überfrachtet wirkte, wird jetzt von der Meisterin in Grund und Boden gesungen. "The idler wheel..." ist zehn Songs lang nicht in der Lage, einen Ausfall zu produzieren. Lob gebührt schon dem herrlichen Spannungsbogen: Da steht das kantige "Daredevil" als ironische Selbstzüchtigung vor der zerstörerischen Selbstaufgabe von "Valentine". Aber, im Unterschied zum Output zuvor, klingt "The idler wheel..." mit dem erwähnten "Anything we want" und dem schelmisch grinsenden "Hot knife" versöhnlich aus. Diesen Song wollte Gwen Stefani immer schreiben.

Ein wenig despektierlich nannte man solch' prägende Stimmen mal "Interpreten". In diesem Fall wird klar: Kein Mensch, niemand, pumpt mit seinem Gesang ein solches Leben in Songs wie Fiona Apple. Dass ein solches Album, nach diesen langen Jahren, dann nicht doch zu verkopft, durchgeplant und steril wird, das ist womöglich der größte Beweis der Kunstfertigkeit Apples. Sie gehört gar nicht mehr verglichen mit den anderen Alphatieren da oben. Bei ihr nehmen die jetzt gefälligst Gesangsstunden. Wer schließlich das Video zu "Every single night" gesehen hat, der vergisst sogar die vom Film "Oldboy" ins Hirn gefressenen Octopusassoziationen. Mit einem großen Poeten bleibt da bloß noch zu sagen: "Ich möcht' Dein Badewasser saufen." Klar, und vielleicht: "Album des Jahres, ihr Würmer!"

(Nicklas Baschek)

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Highlights

  • Daredevil
  • Valentine
  • Regret
  • Anything we want
  • Hot knife

Tracklist

  1. Every single night
  2. Daredevil
  3. Valentine
  4. Jonathan
  5. Left alone
  6. Werewolf
  7. Periphery
  8. Regret
  9. Anything we want
  10. Hot knife

Gesamtspielzeit: 42:39 min.

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