Sinew - Pilots of a new sky
Quality Steel / Soulfood
VÖ: 25.05.2012
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Bewährtes und Bewahrenswertes
Einerseits haben Oceansize die Segel gestrichen, sind Dredg zumindest vorübergehend degeneriert und verlängern Tool den Geduldsfaden ins Unendliche. Andererseits geben sich Anathema außerordentlich verzückt und Storm Corrosion außerordentlich verstört. Auflösungserscheinungen hier, Ausrufezeichen dort. Inmitten der Verwirrung scheint dem progressiven Gemüt nur eines klar: Marburg bringt man vielleicht mit begabten Märchenkundlern in Verbindung, nicht aber mit international konkurrenzfähiger Kopfmusik.
Es ist jedoch alles andere als irreal, dass die anno 2004 in eben jenem schicken Städtchen gegründete Band Sinew bereits 2008 mit "The beauty of contrast" einen beachtlichen Einstand ablieferte. Wer sich derart dem gepflegten Understatement verweigert, indem er das Produkt seines eigenen Könnens als "Cinemascopic Alternative Rock" anpreist, ist allerdings von vornherein zu qualitativen Höhenflügen verdammt.
Zu diesen setzt nun auch das zweite Album an, mit dem Sinew ihr unbescheidenes Selbst- und Stilbewusstsein endgültig in Symbiose bringen. Die Referenzliste liest sich nicht von ungefähr wie das Who-is-who der gehobenen Tonkultur, wobei mit "Pilots of a new sky" keine bloße Zitatesammlung vorliegt. Das Vierergespann ist da ganz wie das berühmte Brüderpaar, das in der Heimatstadt wirkte - sie überführen Bewährtes in Bewahrenswertes. Zum Beispiel das eröffnende "Leading to Rome", das vor Kraft eigentlich kaum laufen kann, Dredg und Konsorten aber dennoch munter auf der Nase herum tanzt. Und die unverschämt effiziente Dynamik, die in den unter dringenden Hitverdacht stehenden Sahnehäubchen "Turquoise", "Arctica" sowie im Titeltrack steckt, darf als mustergültig bezeichnet werden.
Die Kraft liegt hier aber auch in der Ruhe. Sinew geben sich nicht der häufig bei Überambitioniertheit vorkommenden Versuchung hin, etwaige Schwächen im Songdesign durch chronisch spektakulären Alternative Rock zu verschleiern. "The skins I wear" wuchtet sich zwar ebenfalls immer wieder in bombastische Höhen empor, reanimiert im Spannungsaufbau aber erfolgreich Oceansize. Die standen unter anderem auch Pate für das ausufernde "The descend to the heart of mount Sadhana", dessen komplexe Intensität dank des bravourös variablen Gesangs Sascha Junkers besonders lange nachwirkt.
Es ist überhaupt erstaunlich, wie spielerisch hier verschiedenste Akzente zu einem homogenen und eigenständigen Ganzen verwebt werden. Offenkundige Muse-Anleihen ("Mercy on Apollo") passen genauso rein wie die transparente Nuanciertheit von Sieges Even ("Life in a loop"), die flirrende Elegie von The Pineapple Thief ("One I seas all") ebenso wie etwa Placebo, Green Day oder 30 Seconds To Mars, die zumindest in einigen der starken Refrains mal vorbeizuschauen scheinen. Und sämtliche Ideengeber dürften überrascht sein, wie hervorragend sich ihre Musik zu einer völlig selbstverständlichen Einheit kombinieren lässt.
Highlights
- Arctica
- Turquoise
- Leading to Rome
- The descend to the heart of mount Sadhana
Tracklist
- Leading to Rome
- Turquoise
- Mercy on Apollo
- One glimpse B.C.
- The skins I wear
- Arctica
- Life in a loop
- Pilots of a new sky
- The descend to the heart of mount Sadhana
- Echoes
- One I seas all
Gesamtspielzeit: 66:45 min.
Referenzen
Dredg; Oceansize; A perfect circle; Sieges Even; The Pineapple Thief; Coheed and Cambria; Klimt 1918; Rush; Tool; Amplifier; Cave In; U2; Placebo; 65daysofstatic; Aereogramme; Incubus; 30 Seconds to Mars; The Intersphere; Muse; Porcupine Tree; Dream Theater; Fates Warning; OSI; Anathema; Pink Floyd; At The Drive In; System of a Down; Radiohead; Pain of Salvation; Green Day
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