El-P - Cancer 4 cure
Fat Possum / PIAS / Rough Trade
VÖ: 01.06.2012
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Ein Strohhalm vor dem Untergang
Wenn sich eins immer verkauft, dann der Weltuntergang - entweder im Action-Paket mit brennenden Häusern, schreienden Müttern und hirnhungrigen Zombies, oder als Special-Feature für Denker mit zahlreichen Allegorien, Gesellschaftskritik und nur leichten Blutspritzern auf der Hornbrille. Die Palette ist da reichhaltig und breit. Einer der Zeremonienmeister der eher handlichen Variante ist Jaime Meline alias El-P. Und auch sein drittes Album rückt einen guten Schritt weg von gängigen Stimmungen in der HipHop-Landschaft. Philosophie und Arbeitsweise seiner Plattenfirma Definitive Jux sind dabei aber nach wie vor der Schaltplan - denn auch als Label-Chef schaffte es El-P ja schon immer, anderen Künstlern das Rückgrat zu geben, an das sie das Fleisch setzen konnten. "Cancer 4 cure" bildet da keine Ausnahme.
Gut so. Denn nur aufgrund dieser simplen Arbeitsaufteilung kamen einige der besten Rap-Platten daher. Als vor fünf Jahren "I'll sleep when you're dead" erschien, die Platte, die Aesop Rock mit Cat Power, Trent Reznor und The Mars Volta auf ein Album brachte, jubelte alles und jeder über dieses Meisterwerk. Entsprechend wurden erneut mindestens ebenso viele Schritte feucht, als die Runde machte, dass Interpols Paul Banks auf dem neuen Album von El-P auftauchen würde - ungeachtet der Tatsache, dass Interpol eigentlich seit drei Alben auch nur die gleiche Unterhose tragen. "It's like a fresh start of a new world / And I do anything to go home" geistert als prägsamste Zeile über den kargen Beat von "Works every time", den am Ende zahlreiche Samples, Synthies, Stimmen und Bläser tragen. Banks reiht sich da nur ein, wird von El-P nicht als Feature, sondern als Teil des Ganzen eingebaut. Von der Idee könnte sich das kaum besser ergeben.
Wenn dann aus einzelnen Gitarrenspuren "Oh hail no" entwächst und mit Mr. Muthafuckin' eXquire sowie Danny Brown mal eben zwei der besten neuen EmCees aufspielen, steht "Cancer 4 cure" am Höhepunkt. Dabei ist El-P selbst nicht einmal ein großer Techniker am Mikro, all seine Features spielen da schon in einer anderen Liga. Aber in seinem Kosmos passt dieses subtile zornige Rattern, das er ablässt, bestens. Dazu verknüpft El-P Atmosphäre perfekt mit seinen Songs. Und Nick Diamonds kehrt vor der einlullenden Melodie von "Stay down" kurz vor dem Ende des Albums noch einmal alles unter dem Teppich hervor, das im Argen lag. Selten haut eine Hook mieser in den Nacken: "You sound like you're drowning." Der letzte Strohhalm rutscht einem da schon durch die Finger.
Dieser Mahlstrom saugt alles ein, und vielleicht könnte man sagen, dass man von El-P ja nichts anderes kennt. Trotzdem lehnt sich "Cancer 4 cure" weit mehr an Konventionen an und funktioniert gerade dadurch so wunderbar. Eben weil "Drones over Bklyn" so sehr am Tropf seines Rhythmus liegt, zirkuliert die Idee erst richtig im Song. "If you kill him, I won't tell", heißt es später in "For my upstairs neighbor", und wenn es nicht El-P erzählen sollte, wer dann? Am Ende bleibt der Hörer auf dieser Platte mit sich allein, isoliert und nackt. Daraus ergibt sich die Katharsis, die Reinigung, die "Cancer 4 cure" mit seinem Gift anstrebt. Die Therapie mag einem nicht gefallen, aber auch bittere Pillen muss man schlucken.
Highlights
- Works every time (with Paul Banks)
- Drones over Bklyn
- Oh hail no (feat. Mr. Muthafuckin' eXquire & Danny Brown)
- Stay down (feat. Nick Diamonds)
Tracklist
- Request denied
- The full retard
- Works every time (with Paul Banks)
- Drones over Bklyn
- Oh hail no (feat. Mr. Muthafuckin' eXquire & Danny Brown)
- Tougher colder killer (feat. Killer Mike & Despot)
- True story
- The jig is up
- Sign here
- For my upstairs neighbor (Mums the word)
- Stay down (feat. Nick Diamonds)
- $4 Vic / FTL (Me & you)
Gesamtspielzeit: 49:06 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Vennart Postings: 1045 Registriert seit 24.03.2014 |
2024-08-23 00:55:39 Uhr
„Hab Mike mit einem Freund zusammen in Münster im Skaters Palace gesehen. Er tourte zu dem Album und spielte vorne in der Bar. Es waren vielleicht 10 Leute da :DMike war völlig außer Form und hielt kaum einen Track am Stück durch.“ Wie geil, das klingt unbezahlbar :D |
fuzzmyass Postings: 17473 Registriert seit 21.08.2019 |
2024-08-22 01:11:46 Uhr
Ich habe El-P auf der Solo Tour zu Cancer 4 Cure live gesehen... viel mehr als 100 Leute waren nicht da, Konzert war unglaublich stark... |
Arne L. Postings: 1385 Registriert seit 27.09.2021 |
2024-08-21 22:51:17 Uhr
Klingt wie eine richtig gute Erinnerung. Man, man, über Despot redet heute auch eigentlich niemand mehr. |
Lateralis84skleinerBruder Postings: 936 Registriert seit 03.03.2019 |
2024-08-21 22:39:37 Uhr
Tougher colder killer war auf jeden Fall der Grundstein für die Zusammenarbeit an RAP Music. Hab Mike mit einem Freund zusammen in Münster im Skaters Palace gesehen. Er tourte zu dem Album und spielte vorne in der Bar. Es waren vielleicht 10 Leute da :D Mike war völlig außer Form und hielt kaum einen Track am Stück durch. Dann kam die Verjüngungskur RTJ 1-4. Der Rest ist history. Cancer 4 Cure mega Album. Auch wenn es alles „besser“ macht , bleibt mein persönlicher Favorit der Vorgänger |
boneless Postings: 5813 Registriert seit 13.05.2014 |
2024-08-21 22:32:09 Uhr
Mach das, ich finde die immernoch richtig frisch. |
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Referenzen
Aesop Rock; Cannibal Ox; Company Flow; Camu Tao; Danny Brown; Mr. Lif; Del The Funky Homosapien; Cage; The Weathermen; Murs; Beastie Boys; Hieroglyphics; Tame One; Doom; Evidence; Sage Francis; B. Dolan; Non-Prophets; P.O.S.; Busdriver; Sole; cLOUDDEAD; Saul Williams; Nine Inch Nails; Beans; KRS-One; The Roots; Peeping Tom; Roots Manuva; Dälek