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James Cook - Arts and sciences

James Cook- Arts and sciences

Deep See / Rough Trade
VÖ: 16.03.2012

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Opfer des Kapitalismus

Erinnerungen verschwimmen. Dass die vor allem in Großbritannien nachvollziehbare Erinnerungsverzerrung vornehmlich am dortigen Alkoholkonsum liegt, ist natürlich nur ein Gerücht. Aber ein naheliegendes: So wurde Britpop in der Rückbesinnung zur prolligen Bierdosen-und-Fußballstadien-Musik à la Oasis, die so den Bezug auf die herrliche Kombination aus verzagter Arroganz und schüchterner Überheblichkeit einbüßte, wie sie Pulp, Suede oder die Stone Roses zuvor verströmt hatten. Zehn Jahre später durfte man dann im Gefolge von Franz Ferdinand und Bloc Party miterleben, wie Postpunk und New Wave im popkulturellen Unterbewusstsein ihren revolutionären Kern verloren hatten. Von jüngeren Missverständnissen wie Nu Gaze und New Rave mal ganz zu schweigen. Ehemalige Genregrenzen lösen sich in Wohlgefallen auf. Mittlerweile scheint das Schengener Abkommen auch für Musikgenres zu gelten.

Auftritt James Cook. Anders als sein legendärer Namensvetter fuhr der Brite nicht zur See, sondern nach Berlin. Als Vorsteher der erfolglosen Bands Nemo und The Dollhouse sowie als Aushilfsgitarrist der Elektrorocker I Am X war er zuvor zu eher mäßigem Ruhm gelangt. Eben dieser Cook inszeniert sich mit seinem Solo-Debüt "Arts and sciences" als urbaner Singer-Songwriter. Und da wir allen musikalischen Revivals zum Trotz mittlerweile in den Zehnern leben, gehören zum Singer-Songwritertum nicht nur Zupfgitarre und Klavier, sondern auch scheppernde Grooves, blubbernde Elektronik und Zerrgitarren. Das Titelstück erklärt, warum: "I was a child of the eighties / That's how I started creating / With real pop stars and better TV shows / That's how my nostalgia remembers / When I was a teenager in the nineties / The Englishmen rediscovered their guitars / They reinvented London in the sixties / I arrived at the arse end of Britpop."

Dazu erklingen auf "Arts and sciences" immer wieder elektrifizierte Klanggerätschaften, die den vielen Streichern erklären, was es mit der Moderne so auf sich hat: Nicht nur der stolpernde Opener "The self machine" nörgelt kräftig am Zeitgeist herum. Auch das nervöse Pumpen des Titelstücks und die popowackelnde Single "Government kid" geben sich alle Mühe, vornehm angepisst zu sein. In scharfzüngigen Versen zerlegt Cook Massenmedien, Neoliberalismus und Technikgläubigkeit. So ist es kein Wunder, dass trotz der vielen Elektronik die Stärke dieses Albums in der Vergangenheit liegt.

Gemeinsam mit Anne Marie Kirby hatte Cook barocke Popsongs wie "Face to face", "Selling ideas" oder "Circus of our lives" schon vor drei Jahren für The Dollhouse aufgenommen. Auch für die neueren "Black market futures" und "Sediment in wine" greift Cooks rotweinseliger Gesang nach ein paar Sternen, die sich im matten Schein des Pianos spiegeln. Es sind vor allem Kirbys Streicherarrangements, die diesen Songs ihr Durchhaltevermögen geben. Weil Cook mittlerweile ein formidabler Crooner ist, führt er das Beste beider Welten für "End of summer" zusammen. Und plötzlich ist da wieder ein Hauch von britischer Größe. Die Arenen dieser Welt sind für "Arts and sciences" dennoch unerreichbar weit weg. Ein Glück.

(Oliver Ding)

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Highlights

  • The self machine
  • End of summer
  • Black market futures
  • Face to face

Tracklist

  1. The self machine
  2. Government kid
  3. Wrong empire
  4. End of summer
  5. Selling ideas
  6. Arts and sciences
  7. Black market futures
  8. Sediment in wine
  9. Face to face
  10. Circus of our lives

Gesamtspielzeit: 33:58 min.

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