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A Whisper In The Noise - To forget

A Whisper In The Noise- To forget

Exile On Mainstream / Soulfood
VÖ: 24.02.2012

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Im stillen Gedenken

Ein diffuser Schmerz, der nur manchmal wirklich aufbricht. Eine Erinnerung, nie wirklich vergessen, doch auf ewig im Nachhall gefangen. Ein Gesicht, zu weißer Fläche verdeckt, aus dem sich plötzlich doch wieder Konturen erheben. All dies sind Poltergeister, die oftmals derart bedrohlich durch die Gedanken trapsen, dass sie sogleich von der eigenen Stimme in der leeren Wohnung zur Raison gerufen werden. Ein verneinendes "M-m" vielleicht, eventuell nur ein Lippenschnalzen oder ein kurzer Trommelwirbel über die Tischkante. Hauptsache irgendein Laut, der sich nach außen stellt und damit das Innere pariert. A Whisper In The Noise richteten sich immer schon an eben diesen Laut. Beziehungsweise: Sie erschufen Musik, die Körper und Geist betäubte, um den Flüsterton der Gedanken zuzulassen.

Geerdeter als The Album Leaf, straighter balladesk als Telefon Tel Aviv und keinesfalls ein gischtumspülter Entwurf in Rock wie ehemals Slowdive, geben West Thordson und Kumpanin Sonja Larson auch auf "To forget" die heilsamen Geisterbeschwörer. Die Klaviere klimpern zu melancholischen Zwischenstopps, die Geigen werden zu Kameraflügen über menschenleere Eislandschaften, und die Gitarren resonieren meditativ bis in die letzten Soundfetzen. "A sea estranging us" erfindet dazu einen einzigen Hallraum, in dem auch das Schlagzeug wie ein bedrohliches Wummern unter der Erdkruste durch den Song brandet. Und das folgende "All my" befreit zwar die Drums in besenreines Schlurfen, hat ansonsten aber derart viele Drama-Score-Streicher an Bord, dass sich die Gedankensee wahrlich nicht beruhigen will.

Ja, alles auf "To forget" ist ein Song für die Endcredits eines zutiefst humanistisch in die Binsen gegangenen Films. Ein Griff ums Herz, der wehtut. Der kein melancholisch-gütiges Lächeln mehr entlockt. Wie auch? Schließlich geht es hier weder um Zach Braff noch um The Shins. Stattdessen pocht das sanfte Bassdrum-Metronom von "Your hand" mit den letzten Hoffnungsschimmern von Sigur Rós um die Wette und gleiten die Percussion-Kaskaden von "Black shroud" zu einem sanft kickenden Beat über Cello-Brummen, Shoegaze-Gitarren und vor allem das schwarze Loch der eigenen Hirngespinste. Und auch sonst spielt "To forget" dickes Pathos zu bauchig wimmernden Streichern, einigen Flötentönen, Klavierdreiklängen und sanft hallendem Gesang, der sich zwischenzeitlich in Morricone-Elegie verabschiedet.

Neu ist das nicht. Aufregend schon gar nicht. Und auch keinesfalls jedem (zur Nachahmung) empfohlen. Wer jedoch diesen uralten melodischen Stachel nach wie vor im Herzen spürt, der kann hierzu nicht nein sagen. "To forget" - das alles macht den Albumtitel natürlich zu einer kalkulierbaren Unmöglichkeit. Dennoch ist dies keine Musik der Kumpanei oder der Exploitation. Es ist Musik des Zulassens, nach wie vor. Wenn "Of this sorrow" gute acht Minuten mit Field Recordings von Grillenzirpen und sonstigen Nachtgeräuschen ausdämmert, so entwirft sich hieraus auch das plangewordene Zwitschern der eigenen Flausen im Kopf. Sie scheinen zu fluoreszieren, doch niemals genug Licht zu spenden, um die Erinnerung ganz zu durchleuchten. Vielmehr dokumentieren sie das elektronische Zittern, das Erinnerungen zu neuen Bahnen verknüpft. Die Zukunft flackert erregt, wie es nur im Gedenken möglich ist.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights

  • Black shroud
  • A sea estranging us
  • Your hand

Tracklist

  1. To forget
  2. Black shroud
  3. A sea estranging us
  4. All my
  5. Sad, sad song
  6. Every blade of grass
  7. Maya's song
  8. Your hand
  9. Of this sorrow

Gesamtspielzeit: 45:27 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

kingsuede

Postings: 4072

Registriert seit 15.05.2013

2024-02-20 12:22:37 Uhr
Alle hingehen. A Whisper In The Noise sind live hervorragend. Habe sie zweimal gesehen.

Klaus

Postings: 8934

Registriert seit 22.08.2019

2024-02-20 10:39:29 Uhr
Glaub aber, dass das trotzdem gut wird. Dazu waren diese Labelabende immer sehr fein und alle mochten alle, weil man kennt sich ja - kein einfach zusammengebuchtes Event.

Die neue Zukunft kenne ich allerdings nicht, daher keine Ahnung wie/ob der Laden gut ist. Kannst ja schauen, gibt Tageskarten, wenn du nur für die da hinmöchtest. Ostinato sind übrigens ein zweiter, guter Grund, dort hinzugehen.

Ob ich es selbst schaffe, weiß ich nicht, liegt mitten in der Urlaubsplanung.

Arne L.

Postings: 658

Registriert seit 27.09.2021

2024-02-20 10:33:37 Uhr
@Klaus Danke für die Erklärung, dann lohnt sich das für mich wohl eher nicht.

Hab die Band 2012 für circa zehn Euro im Schokoladen in Berlin gesehen. Das war schon sehr süß und intim.

VelvetCell

Postings: 6453

Registriert seit 14.06.2013

2024-02-20 10:02:59 Uhr
Wusste ich gar nicht: A Whisper In The Noise-Mann West Thordson verdingt sich als Soundtrack-Komponist. Und man hört, wo er herkommt. Zum Beispiel hier, beim SPLIT-Soundtrack:

https://open.spotify.com/intl-de/album/1NtIiZt4n1a5sU5BLMi6uV?si=MeKpSdVtTZKcIO8g-H2T0Q


https://en.wikipedia.org/wiki/West_Dylan_Thordson

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 31659

Registriert seit 07.06.2013

2024-02-20 09:51:36 Uhr
Oh, das klingt gut. Wollte eh mal wieder ins UT.
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