Dry The River - Shallow bed

RCA / Sony
VÖ: 02.03.2012
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Erschöpft erblüht
Was! Für! Ein! Ende! Die Konzerte wie auch ihr Debütalbum beschließen Dry The River mit dem Song "Lion's den". Weil das Beste zum Schluss kommt, weil Feierabend für Hemmungen ist und weil sie sich und ihre Instrumente bis zur Erschöpfung verausgaben. Ein Soundteppich, der sich sekündlich mehr und mehr auflädt und selbst mit zunehmender Last unbeirrt von dannen zieht. Knapp drei Minuten gehört das Feld der Akustikgitarre und führt der Besen sanfte Schläge aus, die dem entfernten Dampfen einer Lok gleichen - bis die Saiten hochfahren und Sänger Peter Liddle brüllt: "You took me to the lion's den". In der Höhle des Löwen lassen sich die Streicher zum Crescendo treiben, aber auch die Bläser und die Gitarren, sie beschleunigen, fasern immer mehr aus, fliehen und sinken ermattet in bester Gesellschaft danieder. Live: roh und fantastisch. Auf Platte: strukturierter, wohlfühliger Bombast.
"Lion's den" eint zudem beide Pole, zwischen denen Liddle problemlos wie charismatisch pendelt: Auf der einen Seite spült der Song sämtliche Rohheit und Kraft zu Tage, die sich der Sänger aus seiner Metal-Vergangenheit bewahrt hat, auf der anderen Seite hört man in Liddle auch den Jungen, der schon früher im Kirchenchor Kopfstimme sang. Und so darf nicht verwundern, wenn ein Song wie "Demons" einen eucharistischen Charakter hat, "Bible belt" Sprichwörter mit Betlehem anbandelt und die choralen Backgroundgesänge auf Gospelmusik schielen, um deren Einzug ins Folk-Genre auch auf "Shallow bed" zu manifestieren. Und so brauchte es fast zwingend Bandkollegen wie Jon Warren, der sich dereinst in DIY-Punkbands umtrieb und Violinist Will Harvey, der eine klassische Ausbildung im Rücken hat - beide hätten sich wohl vor einigen Jahren nur schwerlich vorstellen können, Teil des hier vorliegenden Soundgerüsts zu sein.
Summiert ergibt sich daraus eine im Kern pastorale Folk-Rock-Platte. Doch ist dies nur der kleinste gemeinsame Nenner, schließlich zeichnet es das Debüt der (teils zugezogenen) Engländer aus, dass hier Haken geschlagen werden, wie etwa beim leichten Southern- und 70er-Jahre-Progrock in "History book". Überraschungen werden immer dann eingestreut, wenn sich eine Schablone in der Arbeitsweise abzuzeichnen scheint. Songs, die die Klimax lieben, tummeln sich hier zu Genüge. Wenn zu viel Pathos droht, heben Tracks wie das fein gezupfte "Shaker hymns" die Stimme, um für Ruhe zu werben. "Shield your eyes" glänzt mit Pedal-Steel-Gitarre, dramaturgischer Beat-Pause, kreuzender Violine und geschüttelten Backings. Und "The chambers & the walves" verhehlt in seiner Knackigkeit zu keiner Sekunde den Einfluss von Produzent Peter Katis (u.a. Fanfarlo, The National).
Dass Dry The River auf der BBC-Sound-Of-2012-Liste auftauchen, hängt mit den wunderbaren EPs zusammen, hat vor allen Dingen aber auch mit der Tatsache zu tun, dass sie jeden Song mit Wärme füllen und extrem konsequent sind: So ziemlich jeder Track auf "Shallow bed" erspielt sich in aller Kürze die Aufmerksamkeit der Hörer. Das deutete sich bereits bei "New ceremony" an, wo die Pianotasten so unwiderstehlich durch den Refrain tapsen, oder in Liddles Proklamation in "No rest": "Did you see the fear in my heart? / Did you see the me bleeding out? / I loved you in the best way possible." Wer findet, dass "Hits, Hymnen und Herz" eher Dieter Thomas Hecks Attribuierungen sind, muss seine Mitte finden zwischen Delta Spirit, Arcade Fire und Crosby, Stills, Nash & Young. Und: Wenn wir schon mit dem Ende anfangen, enden wir doch mit dem Anfang. Meine Damen und Herren: Dry The River.
Highlights
- New ceremony
- Shield your eyes
- History book
- The chambers & the valves
- Lion's den
Tracklist
- Animal skins
- New ceremony
- Shield your eyes
- History book
- The chambers & the valves
- Demons
- Bible belt
- No rest
- Shaker hymns
- Weights & measures
- Lion's den
Gesamtspielzeit: 45:53 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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diggo Postings: 155 Registriert seit 02.09.2016 |
2017-02-07 14:31:12 Uhr
Ich mag beide Alben. Schade haben sie sich aufgelöst. Die Live-Shows waren jeweils sehr intensiv und die Songs (insbesondere das grossartige "Lion's Den") um einiges stärker als auf Platte. |
The MACHINA of God User und Moderator Postings: 34197 Registriert seit 07.06.2013 |
2017-02-06 13:40:59 Uhr
Ja, die zweite war echt seicht... |
Editor |
2017-02-06 13:18:56 Uhr
Für mich ist Shallow Bed auch noch immer ein 9,5/10 Album. Tendenz Richtung 10/10.Die vielen großen Melodien und Emotionen funktionieren auch heute noch hervorragend. Ich finds famos! Leider konnte ich mit dem 2. Werk nie richig warm werden, sondern fand es sogar eher schwach. Ich hoffe trotzdem, dass Peter Liddle mal etwas Solo veröffentlicht, mit ähnlicher Intensität wie Album Nr1. |
MopedTobias (Marvin) Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion Postings: 20158 Registriert seit 10.09.2013 |
2017-02-05 22:31:34 Uhr
Ja, immer noch ein super Album. Als hartnäckigster Favorit hat sich bei mir History Book herausgebildet. |
Gomes21 Postings: 5330 Registriert seit 20.06.2013 |
2017-02-05 21:14:42 Uhr
Schöne Scheibe, lief bei mir auch lange nicht mehr. Allerdings hab ich von den Sachen danach nicht mehr mitbekommen. Trotzdem schade, dass sie sich aufgelöst haben. |
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Referenzen
Port O'Brien; Delta Spirit; Band Of Horses; Midlake; My Latest Novel; Boy & Bear; Crosby, Stills, Nash & Young; Shearwater; Okkervil River; My Morning Jacket; Fanfarlo; Arcade Fire; Get Well Soon; Mumford & Sons; Ryan Adams; Villagers; The Wrens; The National; Smog; The Shins; Fleet Foxes; Allman Brothers Band; Wilco; The Antlers; Songs:Ohia; Supertramp; Dan Mangan; Sparklehorse; The Decemberists; Other Lives; Great Lake Swimmers; Bruce Springsteen; Manfred Mann's Earth Band; Kansas; Wolf Parade
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