Kraków Loves Adana - Interview

Clouds Hill / Rough Trade
VÖ: 24.02.2012
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Spar Dich reich
Überall muss gespart werden. Was nicht unbedingt nötig ist, fliegt raus. Jetzt sind wohl die Journalisten dran - zumindest könnte das zweite Kraków-Loves-Adana-Album diesen Eindruck erwecken. Das Duo führt einfach ein "Interview" mit sich selbst. Und weil sich das schön verbinden lässt (und natürlich noch einmal Geld spart), haben sie dieses gleich als Album verpackt und aus ihren Selbstreflektionen unterhaltsame Songs gebastelt. Nun machen internationale Beziehungen im Musik-Businness natürlich ordentlich Eindruck, kosten aber auch wieder Geld, deshalb beschränkt sich die polnisch-türkische Liebeserklärung hier auch auf den Bandnamen und die Herkunft der Eltern. Kraków Loves Adana kommen aus Freiburg.
Genug von den Finanzen, denn solange es noch Musik gibt, die nicht endgültig dem Kapitalismus verfallen ist, kann sich die Welt getrost weiterdrehen. Und mit Geldgier haben Deniz Cicek und Robert Heitmann herzlich wenig am Hut - andernfalls hätten sie sich wohl für eingängigere, mainstreamtauglichere Musik entschieden. Glücklicherweise haben sie das nicht getan und servieren auf "Interview" unaufgeregt düstere Töne. Gitarre, Schlagzeug, eine einzigartige Stimme - mehr braucht es nicht. Eine gewisse Melancholie durchzieht das Album und wie der Name schon vermuten lässt, wird es privat. Die Platte zeigt die Persönlichkeiten der beiden Musiker in einer für sie sehr intimen Situation, dem Musizieren. "Man muss sich aktiv von den Erwartungen anderer freimachen und erst mal in sich gehen, um herauszufinden, wohin man als Band wirklich will."
"Interview" ist eine Pop-Platte. Hier wird aber schon wieder gespart: an Klischees nämlich. Diese umschifft sie gekonnt und schafft eine Stimmung, für deren Kreation sich die beiden Musiker viel Zeit gelassen haben. Und wenn der Sparzwang musikalisch weitergeht, dann nur, um vor Überladung zu schützen. Kraków Loves Adana pflegen einen Minimalismus, der die Nachdenklichkeit der Platte unterstreicht, dabei aber nie zu sehr an Dichte verliert. In "On / Off" beispielsweise wiederholt Deniz Ciceks raue Stimme immer wieder monoton die Worte des Titels und das über einem extrem reduzierten, sphärischen Continuo aus einzelnen Gitarrensaiten, das nur unregelmäßig von verzerrten Akkorden durchbrochen wird. Da wirkt das Schlagzeug des darauf folgenden "For those who think young" beinahe brutal, wenn es einen aus dem Gedankennebel reißt und diese dunkle, aber poppige Nummer elegant vorantreibt. "Silver Screen" überrascht, weil es, nach den ersten drei, in dieser Hinsicht eher zurückgenommenen Stücken, plötzlich eine Melodiösität wagt, die fast erschreckt. Vollkommen unvorbereitet leuchtet eine Schönheit, die zum ersten Mal helle Bilder vor dem inneren Auge erscheinen lässt und trotzdem eine gewisse Schwere inne hat.
Die großen Momente von "Interview" liegen im Detail. Hier wagen sich zaghafte Klaviertöne aus dem Unterholz, dort kristallisiert sich eine Melodie heraus, die in ihrer Besonderheit erst auffällt, wenn sie schon wieder im Dickicht eines dunklen Waldes verschwunden ist. Mitten in diesem Wald brennt ein Feuer, hier tanzen unruhige Schatten zu transzendentaler Musik. "It's locked up in your bedroom / the shadow of someone else" Ein ungewöhnlicher Ort für ein Interview. Aber ein magischer.
Highlights
- Avantgarde
- On / Off
- Silver Screen
- Skin & bones
Tracklist
- Avantgarde
- On / Off
- For those who think young
- Silver screen
- Brother
- Skin & bones
- Monsters hide in the dark
- Smoke gets in her eyes
- Sit in the movies and cry
- Montmartre
Gesamtspielzeit: 36:32 min.
Referenzen
Soap & Skin; Hans Unstern; Cat Power; PJ Harvey; Kate Bush; I Might Be Wrong; Hundreds; Rose Kemp; Sophie Hunger; Ich, Alexander; Laura Veirs; Norman Palm; Klez.e; The xx; Nina Nastasia; Aimee Mann; Dear Reader; Dillon; Get Well Soon; Tocotronic; Bon Iver; James Blake; Apparat; Elbow; Feist; Foals; John Cale; Johnossi; The Bird And The Bee; I Heart Sharks; Chris Bathgate; Chairlift; Chapeau Claque; The Divine Comedy; Björk; Neko Case; Bodi Bill; Lou Reed; Noisettes; William Fitzsimmons; Kings Of Convenience; Scott Matthew; Tunng; Peter Doherty; Bonnie 'Prince' Billy; Sonic Youth; The Whitest Boy Alive; Nick Drake; Portugal. The Man; Element Of Crime; Super700; Gisbert zu Knyphausen; Fotos; Ja, Panik
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