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Charlotte Gainsbourg - Stage whisper

Charlotte Gainsbourg- Stage whisper

Because / Warner
VÖ: 13.01.2012

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Miss Verhältnis

Überblickt man die Rollen, mit denen Charlotte Gainsbourg durch ihre Schauspiel-Karriere spurtet, so mag man gar nicht glauben, dass sie ausgerechnet vor Live-Auftritten den allerhöchsten Respekt, um nicht zu sagen gehöriges Muffensausen hat. Ist aber so. Insofern wirkt es schon wie ein kleines Wunder, dass Gainsbourg 2010 erstmals mit voller Bandunterstützung auf Tour ging und das Ergebnis nun gar als Album erscheint. Da sie dem Braten aber immer noch nicht recht traut, schickt Gainsbourg den Liveaufnahmen eine gute halbe Stunde Studiomusik vorweg. Wobei "Stage whisper" sehr schön verdeutlicht, dass Respekt weiterhin geboten, Muffensausen hingegen vollkommen unangebracht ist.

Wie das Letztwerk produziert und geschrieben von und mit Beck Hansen, sticht erstmals der Minimalfunk von "Paradisco" auf allen Ebenen. Das ist zugleich Lykke-Li-Pop und im Basslauf kratzig genug, um den Refrain in aller Vorsicht auszustellen. Leider sind auch Beck und Gainsbourg davon derart begeistert, dass sie das Riff eine gute Minute lang einfach ausdudeln lassen. Was eine großartige Disco-Nichtdisco-Nummer hätte werden können, macht nach hinten raus immer weniger Sinn. Man mag es kaum sagen, aber ein Radio-Edit könnte hier einiges bewirken. Zum tief brummenden und doch schön zerdängelten Beat von "All the rain" rechnet der Hörer dann jederzeit damit, dass sich Mr. Hansen persönlich mit Reflexionen über teuflische Frisuren in den Song nölt. Stattdessen erklingt aber eben filigranes Gainsbourg-Gesäusel, bei dem der Beat wie im Zuckerschock nach hinten springt, damit Madame sich nicht die Stimmbänder bricht. Das ist dann zwar nach wie vor sauber zurechtgemischt, unter dem Strich aber eben auch ein verschenkter Mitnicker.

Ansonsten aber werden diese Missverhältnisse, wie immer bei Gainsbourg, doch wieder überraschend produktiv. So ist ihre Stimme selbst für das Balladen-Midtempo von "Anna" viel zu sachte, wodurch sich der Radio-Appeal angenehm zurücknimmt. Bei "White telephone" spielen Harfe, Kontrabass und Cello ihre Traumsequenzen ebenfalls derart umsichtig, dass schon ein famoser Klangkosmos entsteht. Auch wenn bei "Got to let go" Noah And The Whales Charlie Fink angenehm bedacht vor sich hin brummt, entsteht allein dadurch Spannung im Duett der Stimmen - inklusive schönem, sich aus dem Arrangement erhebendem Schlusssatz. Dadurch gerinnen diese Songs beinahe zu einer Meditation über musikalische Ökonomie und Selbst- wie Fremdbeherrschung. Und so etwas bekommt man nun mal selten. Da müssen die Verhältnisse stimmen - oder eben derart knifflig, doch geglückt aufeinander abgestimmt werden.

Dass Gainsbourg zwar nach wie vor das schwächste Glied der Kette ist, allein das aber rein gar nichts bedeutet, zeigt sich dann auch bei den Live-Aufnahmen. Die sind allesamt sauber nachproduziert, entwickeln weder zu großen Druck, noch sind sie zu zurückhaltend. Teils, wie bei "Jamais", haut die Lounge-Jazz-Anmutung mehr als hin, teils ist der Folk wie bei "In the end" derart hochglänzend, dass Gainsbourgs Stimme das Mütchen an der genau richtigen Stelle wieder kühlt. Das mehrstimmige Arrangement von "AF607105" geht ebenso präzise wie lieblich auf. Und der Einstieg mit "IRM" hat auch gerade noch Kraft genug, um die Zuhörer erstmal wachzustampfen. So macht "Stage whisper" aus dem, was es zur Verfügung hat, erneut das Allerbeste. Da Gainsbourg und alle ihre Mitstreiter ganz genau wissen, wovor man wie viel Respekt haben muss, spielen und singen sie sich in ein Mantra des Gleichmaßes. Eine singende Schauspielerin, wie so viele ihrer am Rande der Lächerlichkeit herummusizierenden Kollegen, ist Gainsbourg deshalb zu keiner Sekunde. Eine schauspielernde Sängerin allerdings auch nicht. Respekt vor diesem groß aufspielenden Muffensausen.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights

  • Anna
  • Got to let go
  • Jamais
  • AF607105

Tracklist

  • CD 1
    1. Terrible angels
    2. Paradisco
    3. All the rain
    4. White telephone
    5. Anna
    6. Got to let go (feat. Charlie Fink)
    7. Out of touch
    8. Memoir
  • CD 2
    1. IRM
    2. Set yourself
    3. Jamais
    4. Heaven can wait
    5. In the end
    6. AF607105
    7. Just like a woman
    8. The operation
    9. The songs that we sing
    10. Voyage
    11. Trick pony

Gesamtspielzeit: 61:57 min.

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