Seasick Steve - Walkin' man
Rhino / Warner
VÖ: 25.11.2011
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Die Rente ist sicher
Wir sollten endlich aufhören, uns zu beklagen und uns ein Beispiel an Seasick Steve nehmen. Der Mann macht nun schon seit über 50 Jahren genau das, worauf er Lust hat und kann seine Früchte, im Rentenalter, endlich ernten. 70 Lenze zählt Steve Wold mittlerweile, ist aber erst seit rund sieben Jahren und seinem Debüt "Cheap" tatsächlich bekannt. Andere sitzen da schon auf dem Sofa und gucken sich irgendwelche Kochshows im Mittagsprogramm an, während sie ihre Puschen zurechtrücken und schauen, ob es dem Kanarienvogel Hansi noch gut geht. Nicht so Seasick Steve. Der spielt sich immer noch einen Wolf, weil er einfach nicht anders kann. Welch besseren Zeitpunkt könnte man also wählen für eine kleine Retrospektive, als nach einem halben Jahrhundert gelebter Musikgeschichte? Eben. Für einen kurzen Moment legt sich Steve also doch zurück in den Schaukelstuhl auf der Veranda, nimmt sich ein Bier, krault sich den langen, grauen Bart, guckt in die Weite und ist ein bisschen stolz auf sich und seine Musik. Das hat er sich verdient.
Warum? Weil er ganz ohne Scham und falsche Bescheidenheit aus seinen bisherigen fünf Studioalben und der kurzen Karriere als Solokünstler 21 Songs destillieren kann, die sich allesamt auf einem hohen Niveau bewegen. Bis auf die wenigen ruhigen Ausnahmen, wie etwa "Treasures" oder "Fallen of a rock", schrammelt es so wunderschön, scheppert es so wunderbar, dass sich ein Jack White voller Ehrfurcht eine Scheibe von diesem räudigen, erdigen Delta-Blues abschneiden kann. Diese Wurzeln wurden schon lange nicht mehr mit frischem Wasser begossen, hier ist alles staubig und trocken. Seasick Steve erzählt dazu Geschichten aus seinem früheren Leben als Hobo, der auf Züge aufsprang, sich durchs Land treiben ließ und mit irgendwelchen obskuren Jobs seinen Lebensunterhalt verdiente. "Started out with nothin' / And I still got most of it" aus "Started out with nothin'" ist der zentrale Satz, der Steves früheres Leben und seine konstante Mentalität am besten fasst. Einmal Landstreicher, immer Landstreicher.
Und heute? Heute ist Seasick Steve ein kleiner Star, verkauft genügend Alben und Tickets für seine Auftritte, reist um die ganze Welt mit den Taschen voller Geld und muss sich um seine Zukunft keine Sorgen machen. Nicht, dass ihn das interessieren dürfte, denn der Mann macht das nicht für den schnöden Mammon, sondern weil er muss. Ein Drängen, das von ganz tief drinnen kommt und das seinen Songs diese Wahrhaftigkeit verleiht, die vielen Jungspunden aus diesem Genre abgeht. Und die Moral von der Geschicht' und der kleinen Rückschau "Walkin' man"? Wenn wir alle einfach viel öfter das machen würden, was uns Spaß macht, mit allen Konsequenzen, vielleicht hätten wir dann alle überhaupt keine Rentenprobleme, keine Burnouts und keine Diskussionen um schlechte Arbeitsbedingungen. Dann könnten wir nämlich auf mäßige Chefs und hinterlistige Kollegen einen großen Haufen setzen. Und wir würden einfach weitermachen, bis wir irgendwann mit einem Lachen im Gesicht umfallen. So wie eines Tages Seasick Steve.
Highlights
- Thunderbird
- Treasures
- You can't teach an old dog new tricks
- Never go west
Tracklist
- Dog house boogie
- Cheap
- Started out with nothin'
- Diddley bo
- Thunderbird
- Happy man
- Cut my wings
- Treasures
- St. Louis slim
- 8-ball
- Don't know why she love me but she do
- Walkin' man
- You can't teach an old dog new tricks
- Fallen off a rock
- The banjo song
- Never go west
- My Donny
- Prospect line
- Xman Prison blues
- That's all
- Dark
Gesamtspielzeit: 78:46 min.
Referenzen
Louisiana Red; Delta Moon; Steamboat Willie; Blind Willie McTell; John Lee Hooker; Robert Johnson; Reverend Gary Davis; Lonnie Brooks; Walter Davis; White Stripes; Mississippi Sheiks; Peetie Wheatstraw; Miller Anderson; Muddy Waters; Blind Willie Johnson; Mississippi John Hurt; Bull Moose Jackson; The Felice Brothers; Bo Carter; Jerry Ricks; Furry Lewis; Sleepy John Estes; Soggy Bottom Boys; Chris Thomas King; Watermelon Slim; Big Bill Broonzy; Memphis Minnie; Louis Armstrong; Blind John Davis; Blind Faith; Cream; Led Zeppelin; Bob Dylan; Woody Guthrie; Washboard Sam
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