Ben Folds - The best imitation of myself: A retrospective
Epic / Sony
VÖ: 28.10.2011
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Darf's ein bisschen mehr sein?
Was auch immer Tastenenthusiast Ben Folds anpackt, man sollte bei ihm nie mit normalen Maßen rechnen: Es fing schon damit an, dass er als Klavierschüler die Stücke am liebsten in doppeltem Tempo darbot. Seine ehemalige Band, derzeit wiedervereint im Studio, hieß Ben Folds Five - war allerdings nur zu dritt. Aktuell verheiratet ist er mit Ehefrau Nummer 4 und als Ex-Frau Nummer 3 ihn zum Daddy machte, bekam das Paar nicht bloß ein Kind, sondern gleich Zwillinge, die selbstverständlich an unterschiedlichen Tagen geboren wurden. Es ist also nur konsequent, dass Folds' erste Werkschau, die auch sein Schaffen mit Ben Folds Five und Nebenprojekte mit The Bens (Ben Kweller und Ben Lee) und 8in8 (Amanda Palmer, Neil Gaiman und Damian Kulash) berücksichtigt, nicht eine gewöhnliche Best Of ist, sondern eine gigantische 3-CD-Compilation. Fast vier Stunden Musik.
Liest man das Vorwort, das Folds - neben ausführlichen Erläuterungen zu jedem der 61 Songs - höchstpersönlich für das angemessen opulente Booklet geschrieben hat, wird schnell klar, warum er trotz seines nicht zu verleugnenden Größenwahns so ein sympathischer Typ geblieben ist: Er nimmt sich selbst niemals wichtiger als die Menschen, über die er singt, und ist mit seinen Liedern stets auf Augenhöhe. Man kann sich Folds beim Rasenmähen vorstellen, wie er die Zwillinge von der Schule abholt oder wie er die alte, rostrote Cordhose aus der Waschmaschine zieht und feststellt, dass ein Papiertaschentuch mitgewaschen wurde. Im Prolog zu seiner Retrospektive bemerkt er nicht nur augenzwinkernd "This is the record I will submit for the next Voyager to be launched into space.", sondern auch mehr bescheiden als kokettierend "I may place it upon Jimmy Webb's doorstep in a paper bag, light it on fire, ring the doorbell and run." In diesen Zeilen steckt vor allem die angenehme Tatsache, dass der Künstler Folds immer in erster Linie Fan geblieben ist. Ein Fan, der seine Vorbilder kapiert, aber nie kopiert hat.
"The best imitation of myself: A retrospective" bietet in drei Akten durchweg hervorragendes Material aus knapp 20 Jahren: Auf CD 1 befinden sich Lieder, die man ruhig Hits nennen darf, auch wenn sie es nie in die Charts geschafft haben: "Brick", "Philosophy", "One angry dwarf and 200 solemn faces", "The luckiest", "Rockin' the suburbs", "Kate", aber auch alternative Fassungen wie etwa die Streicher-Variante von "Landed", "Smoke", begleitet vom West Australian Symphony Orchestra, oder "Still fighting it" in einer Extended-Version, die doch tatsächlich mit einer Akustikgitarre beginnt - also mit jenem Instrument, das weder auf den drei regulären Ben-Folds-Five-Alben noch auf Folds' bisherigen vier Solowerken vorkam. Und das bleibt nicht die einzige Überraschung: "House" erweist sich als ganz neues Stück der frisch wiedervereinten Ben Folds Five - und deren Energielevel ist immer noch so hoch wie zu Zeiten von "Whatever and ever amen".
Dass diese Bandkonstellation etwas ganz Besonderes hatte, lässt sich auf CD 2 nachprüfen, die 21 Live-Aufnahmen versammelt, immerhin acht davon mit Ben Folds Five. Hier finden sich dann auch Lieder, die man auf dem ersten Tonträger vermisst hatte: "Song for the dumped", "Zak and Sara", "Not the same" oder auch "Army" - letzteres vom legendären Ben-Folds-Five-Konzert im September 2008, das acht Jahre nach der Trennung der Band nur als einmaliges Ereignis im heimischen Chapel Hill gedacht war, und nicht etwa als Reunion - deren Grundstein dann aber wohl doch an genau diesem Abend gelegt wurde. Auch wenn es noch drei Jahre dauerte, bis man sich dazu entschloss, fortan wieder eine Band zu sein. Zwei weitere neue Ben-Folds-Five-Aufnahmen hat die Compilation parat: Zum einen das ganz fantastische Energiebündel "Tell me what I did", aus der Feder von Bassist Robert Sledge, zum anderen "Stumblin' home winter blues", eine Art Schlaflied mit Americana-Touch, geschrieben von Drummer Darren Jessee.
Das größte Vergnügen bereitet allerdings die dritte CD, die sich Rarem und Kuriosem widmet: Hinreißende Demo-Versionen, etwa von "Boxing" aus dem Jahr 1992, "Julianne" und "Evaporated" vom eigentlichen Ben-Folds-Five-Debütalbum, das allerdings wegen allgemeiner Unzufriedenheit noch einmal komplett neu aufgenommen wurde - auch wenn diese beiden Stücke nun wirklich nicht erahnen lassen, warum. Während auf CD 2 bereits eine äußerst gelungene Cover-Version von George Michaels "Careless whisper" zu hören ist, auch noch im Duett mit Rufus Wainwright, gibt es hier noch mehr originelle Folds-Fassungen bekannter Lieder zu entdecken: "Barrytown" von Steely Dan, Dr. Dres "Bitches ain't shit", "Such great heights" von The Postal Service und sogar "Sleazy" von Ke$ha. Mindestens genauso herrlich sind aber die raren Originale, wie das Broadway-Spektakel "The secret life of Morgan Davis" oder die liebliche Ode an "Amelia Bright". Nach 232 höchst unterhaltsamen Minuten und 5 nicht minder lohnenswerten Sekunden kann man nur ungläubig mit dem Kopf schütteln und gleichzeitig begreifen, dass dieser Spruch mit der Quantität und der Qualität doch wirklich totaler Quatsch ist. Zumindest in diesem ganz speziellen Fall.
Highlights
- Brick
- Philosophy
- One angry dwarf and 200 solemn faces
- Still fighting it (Extended version)
- Careless whisper (featuring Rufus Wainwright)
- Army
- Not the same
- Evaporated
- Tell me what I did
- The secret life of Morgan Davis
Tracklist
- CD 1
- Brick
- Annie waits
- Philosophy
- Underground
- Landed (Strings version)
- One angry dwarf and 200 solemn faces
- Don't change your plans
- The luckiest
- Smoke (with the West Australian Symphony Orchestra)
- Rockin' the suburbs
- Kate
- Gracie
- Still fighting it (Extended version)
- You don't know me (featuring Regina Spektor)
- There's always someone cooler than you
- Still
- From above
- House
- CD 2
- Julianne
- Video
- Song for the dumped
- Missing the war
- Mess
- Magic
- Selfless, cold and composed
- Zak and Sara
- Girl
- Just pretend (with The Bens)
- Fred Jones Part 2 (with the West Australian Symphony Orchestra)
- Careless whisper (featuring Rufus Wainwright)
- All you can eat
- Long tall Texan
- Army
- Battle of who could care less
- Kylie from Connecticut
- Effington
- Picture window
- Sentimental guy
- Not rhe same
- CD 3
- Unrelated
- Best imitation of myself
- Rocky
- Boxing
- Julianne
- Evaporated
- Alice Childress
- Barrytown
- Amelia Bright
- Tell me what I did
- Rock star
- Losing Lisa
- Break up at food court
- Hiro's song
- Wandering
- The secret life of Morgan Davis
- Such great heights
- Bitches ain't shit
- Time
- Sleazy
- Because the origami (with 8in8 - Ben Folds, Amanda Palmer, Neil Gaiman and Damian Kulash)
- Stumblin' home winter blues
Gesamtspielzeit: 232:05 min.
Referenzen
Ben Folds Five; Jimmy Webb; Randy Newman; Billy Joel; Elton John; Joe Jackson; Duke Special; Corn Mo; Amanda Palmer; The Dresden Dolls; Regina Spektor; Jamie Cullum; Sara Bareilles; Badly Drawn Boy; Guillemots; Ed Harcourt; Rufus Wainwright; Hotel Lights; They Might Be Giants; Richard Swift; Keane; The Bens; Ben Kweller; Ben Lee; Semisonic; Steely Dan; Graham Nash; The Beatles; Paul McCartney; The Beautiful South; Valery Gore; Richard Kapp & The Gowns; Montmorensy; Toploader; The Divine Comedy; Elvis Costello; Todd Rundgren; Gonzales; The Fray; Guster; Burt Bacharach; Stevie Wonder
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