Atlas Sound - Parallax

4AD / Beggars / Indigo
VÖ: 04.11.2011
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

In der Tropfsteinhöhle
Im Kosmos des genialen Bradford Cox verlaufen Grenzen fließend. Wenn sie dort überhaupt existent sind. Seine beiden musikalischen Vehikel können als lebende Beweise hierfür herangezogen werden. Sowohl mit seiner Stammband Deerhunter als auch mit seinem Solo-Outfit Atlas Sound schraubt der US-Amerikaner an seiner defätistischen Vision modernen Indie-Rocks, der sich alles rausnehmen darf und dafür keinen Fokus kennt. Beide Projekte beeinflussen sich dabei gegenseitig, bauen aufeinander auf, stehen in wechselseitigem Dialog miteinander. Diesen Eindruck erweckten zumindest die letzten, allesamt formidablen Platten. Aber auch "Parallax", das nunmehr dritte Studioalbum unter dem Banner Atlas Sound, fügt sich nahtlos in diese Welt ein. Stilistisch ist sein neuestes Werk der letzten Deerhunter-Großtat "Halcyon digest" also nicht unähnlich. Ein kleines Schwesterchen, geboren von einem Mann, der fast alle Instrumente alleine einspielte.
"Parallax" ist ein Album zum Eintauchen, ein gruselig intimes Unterwassermärchen mit einem vermeintlichen Happy End, schließt es doch mit beruhigenden Worten: "Everywhere I look / There is a light / And it will guide the way." Doch von vorne: Cox führt den Hörer durch zwölf sensible Songs, die mal mehr, mal weniger greifbar sind. Das eröffnende "The shakes" lässt bereits früh erahnen, dass er mit diesen Liedern innere Dämonen bekämpfen möchte, sich jedoch noch im Dunkeln befindet und seine Adresse längst vergessen hat. Orientierungslos stapft er durch den lichtlosen Raum. Seine Geschichten handeln meist vom Tanz zwischen Hell und Dunkel, auch wenn die meisten Stücke einen positiv-verqueren Grundton haben. So blubbern auch die Beats in "Amplifiers", einer songgewordenen Tropfsteinhöhle, die Gitarre mäandert hindurch und bahnt sich den Weg. Sie wird am Ende der strahlende Verlierer sein. Manchmal, wie im fein instrumentierten "Modern aquatic nightsongs", bekommt man eine Ahnung davon, wie die Musik der Kinder von Thom Yorke und Arielle klingen könnte, würden Meerjungfrauen auf Radiohead stehen.
Im Kontrast zum sonstigen Quadratwurzelzieher-Pop auf "Parallax" steht das ultra-melodieselige, leicht beschwippste "Mona Lisa", für welches MGMT-Mastermind Andrew VanWyngarden im Studio aufschlug. Hört man sich den Song unter diesem Gesichtspunkt an und reflektiert kurz, kommt man zweifelsfrei zu dem Ergebnis, dass dies eine sehr stimmige Melange ist. Mit dem atmosphärisch dichten "Doldrums" erreicht Cox' düstere Wunderreise ihren lyrischen Höhepunkt: "How could we foresee / Terrible addictions / Houses that were out of reach / For me, from me?" Doch erst, wenn die Interpol-Gitarren in "Angel is broken" - circa "Our love to admire" - erklingen, verschwinden die schwarzen Wolken, dringen grelle Sonnenstrahlen auf den moosigen Boden. Der Nebel zieht sich in das schwarze Loch zurück, aus dem er kam. Der Abschlusstrack "Lightworks" bildet ein funkelndes Finale, die besagten letzten Worte lassen auf ein Happy End schließen. Oder eben auf die große Katastrophe. Die Grenzen dazwischen verlaufen fließend. Wie gewohnt. Wie wunderbar.
Highlights
- Mona Lisa
- Angel is broken
- Lightworks
Tracklist
- The shakes
- Amplifiers
- Te amo
- Parallax
- Modern aquatic nightsongs
- Mona Lisa
- Praying man
- Doldrums
- Angel is broken
- Terra incognita
- Flagstaff
- Lightworks
Gesamtspielzeit: 48:32 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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saihttam |
2012-07-18 00:52:59 Uhr
war ja anfänglich doch ein wenig enttäuscht, weil es sich klangtechnisch meiner meinung nach schon vom vorgänger Logos unterscheidet. hab da wohl irgendwie das falsche erwartet. ist aber mittlerweile doch sehr gewachsen. irgendwie lösen die songs eine ziemlich große emotionale spannung in mir aus, obwohl sie mir an einigen stellen gar nicht so gut gefallen. komisches ding irgendwie, das Album! |
Köstlich! |
2012-03-06 21:33:07 Uhr
http://pitchfork.com/news/45658-watch-bradford-cox-terrifies-audience-in-minneapolis-covers-my-sharona-for-an-hour/ |
virginia |
2011-11-24 21:01:12 Uhr
http://pitchfork.com/tv/special-presentation/1835-altered-zones/3038-atlas-sound-parallax/ |
Achim |
2011-11-11 14:13:45 Uhr
eine angabe von "highlights" brauche ich bei rezensionen außerhalb des textes nicht.Achim. |
oIi |
2011-11-11 14:03:45 Uhr
sieht aber aus wie pocher. |
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Referenzen
Deerhunter; Lotus Plaza; Animal Collective; Avey Tare; Panda Bear; City Center; Twin Shadow; Caribou; Women; Ducktails; Julian Lynch; Ariel Pink's Haunted Graffiti; Gang Gang Dance; High Places; Department Of Eagles; Destroyer; Beach House; Grizzly Bear; Cant; The Microphones; Mount Eerie; Wild Nothing; Dirty Projectors; Gauntlet Hair; Kurt Vile; The War On Drugs; Candy Claws; Real Estate; Deerhoof; Peaking Lights; Dirty Beaches; No Age; Grouper; Julianna Barwick; John Maus; Bear In Heaven; Dan Deacon; Still Corners; Volcano Choir; Psychedelic Horseshit; Sun Airway; Terrestrial Tones; Toro Y Moi; Belong; Ganglians; Sunset Rubdown; Swan Lake; Stereolab; Slowdive; Galaxie 500; My Bloody Valentine; Spacemen 3; Broadcast; Yo La Tengo
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