Tigerbeat - No. 1
Exile On Mainstream / EFA
VÖ: 25.02.2002
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Wolfspelz mit Nadelstreifen
Oh weh! Drei Anzug-Models aus Hamburg haben eine Platte gemacht. Die Promomaschine wirft den Begriff "Sophisticated Sex Rock" in die Runde und erzählt von einer "ganz gehörigen Prise Blues und Soul in der Blutbahn". Aha. Spätestens seit Right Said Fred befürchtet man bei einer solchen Konstellation das Schlimmste. Also wird die Scheibe mit gemischten Gefühlen in den Player gelegt. Ein Kreischen und eine Gitarre mit feinstem Rotz-Twäng empfangen den Zuhörer in einem gänzlich unerwarteten, aber durchaus nicht unbekannten Universum. So fangen eigentlich nur Jon Spencer-Alben an.
"Get down children" wird nicht das letzte Mal sein, daß man beim Durchhören von "No. 1" an die brachiale Genialität der Blues Explosion denken muß. Ein neugieriger und diesmal weniger oberflächlicher Blick in die Informationen offenbart, daß hier der erste Longplayer einer Band rotiert, die es schon seit 1997 gibt und schon auf beträchtliche Liveerfahrung plus ein paar Singles zurückblicken kann. Da hat beim ersten Lesen wohl das Gespenst der selektiven Wahrnehmung zugeschlagen.
Erfreulicherweise legen die drei Hamburger Schönlinge kein plumpes Plagiat vor. Vorbildern wird gehuldigt, ohne daß man sich auf der Suche nach dem eigenen Ding irgendwelchen Beschränkungen oder Regeln unterwirft. "Ain't diggin' your scene" dividiert Jon Spencer durch Neue Deutsche Welle und erhält als Ergebnis Spliff. Diese Gleichung ist zwar völlig unlogisch, und beim Nachrechnen wird natürlich geschummelt, daß sich die Balken biegen. Trotzdem macht das Ganze auf eine rätselhafte Weise Sinn. Spätestens bei "Sweet love" wird übrigens deutlich, wie jemand auf den Begriff "Sophisticated Sex Rock" kommen konnte. Bei entsprechender Kondition kann man das hier Begonnene zu den Klängen von "Mailmaster" äußerst passend fortsetzen. Die Rhythmik ist geradezu zwingend, und Bläser, Streicher und Glockenspiel sind - obwohl aus der Konserve - angenehm dosiert.
Neben dem fast allgegenwärtigen Jon Spencer offenbaren sich die sonstigen hörbaren Einflüsse von Tigerbeat als buntes, wildes Achtzigerjahre-Konglomerat. "Good lovin'" hat einen entsprechend stumpfen Beat und passende, superkäsige Synthies, "Money" beschwört nochmals das Beste der NDW herauf, während "Tongue kung fu" ein wenig wie Anne Clark auf Speed klingt. Und immer wieder schrammeln dreckige Garagengitarren in die Songs - wild, ungestüm und ohne die Absicht, etwas zu zerschlagen. Laute Loungemusic sozusagen, für die Party der schicken Endzwanziger, die sich gerne mal für eine knappe Stunde daran erinnern, daß sie früher mal nicht nur unkonventionell, sondern vor allem rebellisch waren.
Highlights
- Get down children
- Ain\'t diggin\' your scene
- Money
- Same ol\' thang
Tracklist
- Get down children
- Troubled man
- Ain't diggin' your scene
- Plastic
- Sweet love
- Mailmaster
- Good lovin'
- Gimme a break
- Money
- Tongue kung fu
- Same ol' thang
Gesamtspielzeit: 40:08 min.
Referenzen
Jon Spencer Blues Explosion; Russell Simins; Boss Hog; Brassy; Man Or Astroman?; Earthlings?; Cato Salsa Experience; Dick Dale & His Del-Tones; The (International) Noise Conspiracy; Beck; 22 Pistepirko; EMF; Reef; The Rolling Stones; Blondie; New York Dolls; Spliff; Ideal
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