Tom Morello: The Nightwatchman - World wide rebel songs
Blue Rose / Soulfood
VÖ: 09.09.2011
Unsere Bewertung: 5/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
Viva la Reproduktion!
Wenn Tom Morello noch immer nicht die Stimme seiner Generation ist, liegt das nicht zuallererst daran, dass er nicht singen kann. Sicher auch nicht daran, dass es ihm an der nötigen Haltung fehlen würde, denn politisch ist der frühere Gitarrist von Rage Against The Machine und Initiator von Axis Of Justice nun wirklich über jeden Zweifel erhaben. Und ganz sicher liegt es mit Blick auf die von Protestbannern gesäumten Straßen der Weltöffentlichkeit auch nicht daran, dass seine Vision einer besseren und gerechteren Welt nicht in Mode wäre. Morellos Problem ist vielmehr, dass er als Teil von Amerikas gutem Gewissen in seiner Inkarnation als The Nightwatchman auch auf dessen drittem Album zu keiner eigenen Form findet, um hehre Linksutopien, Widerstandsaufrufe und das musikalische Erbe seiner Heimat zusammen unters Volk zu bringen.
Einerseits ist alles, was Morello tut, nur geliehen: Sein charismatisches, aber ungelenkes Sprechsingen und die Mundharmonika von "Speak and make lightning" von Bob Dylan, die Attitüde des seelenschweren Folk-Troubadours und Amerika-Chronisten von Leuten wie Woody Guthrie oder gleich den schwarzen Urvätern des Blues. Während andere Künstler aus diesen Bezügen etwas Gegenwärtiges stricken, klingt Morellos Musik dabei nicht nach der Revolution, auf die sie sich immer wieder bezieht. Stattdessen wirkt sie wie hinter Museumsglas für zukünftige Generationen konserviert, sprich: irgendwie angestaubt, anachronistisch, zumindest aber seltsam unaktuell. Wohl auch deshalb, weil sich in Songs wie der seltsamen Selbstcharakterisierung "Black Spartacus heart attack machine" Folk und Crossover-Gitarren die Spielzeit teilen müssen, ohne zueinander zu finden.
Andererseits gelingt es Morello nicht, diese geborgten Elemente auf "World wide rebel songs" in nachvollziehbaren Einklang zu bringen. Die 2008 bei einem E-Gitarren-Auftritt mit Bruce Springsteen entstandene Idee, The Nightwatchman vom Akustik-Erzähler zum elektrischen Bandleader zu machen und damit Bob Dylans Wandlung nachzuvollziehen, bleibt ihm zwar unbenommen. Ebenso der Gedanke, den eigenen Horizont musikalisch wie inhaltlich dem Albumtitel entsprechend zu erweitern. Was aber soll man machen mit "The dogs of Tijuana", das klingt, als würde Gogol Bordellos Eugene Hütz als One-Man-Show plötzlich die Weltrevolution wichtiger nehmen als die Gypsy-Party? Was mit "The fifth horseman of the apocalypse" oder "The whirlwind", die den Zustand der Erde vor einer Irish-Folk-Tapete beklagen? Die Ergebnisse sind zwar in Ordnung, mit Morello zu tun haben sie aber wenig. Einzig mit "Facing Mount Kenya" gelingt ihm ein Experiment voll und ganz: Ein eiszapfiges Glockenspiel zerklirrt auf einem repetitivem Bassgroove, und Morello gibt dazu die Rauchkehle Tom Waits.
Für den großen Rest aber hätte sich Morello vielleicht zwischen den immer wiederkehrenden Einigkeits-Parolen wie im Bonustrack "Union town" und dem Status als Beichtvater der amerikanischen Seele, die dem Gospel-Folk von "Save the hammer for the man" und der spirituellen Einkehr von "God help us all" anhaftet, entscheiden sollen. Religion und Revolution - wie so vieles auf "World wide rebel songs" kommen auch diese beiden nicht recht zusammen. Schade ist aber vor allem, wie konsumierbar und ungefährlich diese Revolutionsrhetorik daherkommt - Pop und Protest, noch so ein Paar, das sich nicht immer verträgt. Mehr und mehr drängt sich die Frage auf: Wie lange kann man mit seiner Überzeugung im Popgeschäft sein Brot verdienen, bevor eine Sache der anderen schadet? Was Morello angeht, ist das Dilemma: Man hört ihn, aber man spürt ihn nicht. Und das liegt nicht an seiner Stimme.
Highlights
- The fifth horseman of the apocalypse
- Facing Mount Kenya
Tracklist
- Black spartakus heart attack machine
- The dogs of Tijuana
- It begins tonight
- Save the hammer for the man (Feat. Ben Harper)
- The fifth horseman of the apocalypse
- Speak and make lightning
- Facing Mount Kenya
- The whirlwind
- Stray bullets
- Branding iron
- World wide rebel songs
- God help us all
- Union town (Bonus track)
Gesamtspielzeit: 50:02 min.
Referenzen
Greg Graffin; Johnny Cash; Bob Dylan; Woody Guthrie; Billy Bragg; Bruce Springsteen; Phil Ochs; Leadbelly; Leonard Cohen; Townes Van Zandt; Lee Hazlewood; Kris Kristofferson; Mike Ness; Murder By Death; Midnight Oil; The Walkabouts; Steve Early; Barry McGuire; Merle Haggard; Waylon Jennings; Nick Cave; Levellers; Justin Sullivan; New Model Army; The Pogues; Across The Border; The Dubliners; Joe Strummer & The Mescaleros; Mark Lanegan; The National; Richard Hawley; Eric Bachmann; Crooked Fingers; The Black Heart Procession; Devastations; Calexico; Daniel Lanois; Lou Reed; Neil Young; Woven Hand; Sixteen Horsepower; Timesbold; Whip; The Decemberists; Cracker; Serj Tankian; Everlast; Donovan; Street Sweeper Social Club