Feist - Metals

Polydor / Universal
VÖ: 30.09.2011
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Warum so allein?
Den F-Baum auf dem Cover gibt es nicht. Auch wenn Leslie Feist einem Journalisten glaubhaft machen wollte, es existiere ein kompletter Buchstabenpark. Das kauft man der Frau, die in der Sesamstraße mit "1234" den Kindern das Zählen beibrachte, nur zu gerne ab. Den Schwindel hielt sie aber nicht lange aufrecht, dafür ist die Kanadiern doch eine zu ehrliche Haut mit einer Vorliebe für ehrliche Musik. "Metals" gibt sich dann auch gar keine Mühe, künstliche Welten zu erschaffen: Feist operiert wieder am offenen Herzen, zwischen den Grundlagen einer Beziehung, der anfänglichen Vorstellung und der ungeplanten Fortschreibung und - ganz subtil - zwischen Gut und Böse. In den vier Jahren seit der Veröffentlichung von "The reminder" gönnte sich Feist aber zunächst endlich einmal eine Pause.
Ihrem rastlosen Leben verordnete sie ein Jahr Ruhe, um Kräfte zu tanken und anschließend mit dem bewährten Team aus Mocky und Chilly Gonzalez sowie Dean Stone und Brian LeBarton in einer Hütte an der kalifornischen Küste ihr neues Album einzuspielen. Aber selbst wenn Feist "Metals" an einer achtspurigen Autobahn aufgenommen hätte, würde der Lärm angesichts ihrer klaren, honigbelegten Stimme ohnehin ausgeblendet. Ihr unnahbares Organ umgibt sich mit einfachem Folk in "Cicadas & gulls", droht an der Klippe der Falsetthöhen das Gleichgewicht zu verlieren, ohne aber jemals zu fallen, und trumpft in feinster Spielmacherqualität auf. Die anfängliche Instrumentierung von "Caught a long wind" etwa ist nicht mehr als ein jammendes Warm-Up, das Feist und den notwendigsten, souligen Pianonoten anschließend das Feld überlässt. Eins ihrer besten Lieder bislang.
Was im kalifornischen Bretterwerk entstanden ist, besitzt diese von Bon Iver bekannte, intime Hütten-Atmosphäre, die den Hörer andächtig lauschen lässt. Denn "Metals" ist eine galant angeschliffene Rohfassung, bei dem sogar die Celesta im spannungsdurchzogenen "A commotion" ihren Einsatz ungestraft um einen Takt verpassen darf. Feists Stimme ist das Hören zwar alleine schon wert, aber es hat seinen Grund, warum die 35-jährige immer wieder auf die Mitarbeit ihres Teams verweist. Im fulminanten Opener "The bad in each other" wiegen sich zu getriezten Drums Streicher hin und her, das Bariton-Saxophon murmelt etwas in seinen Bart, und Feist erhält - kaum merklich - stimmlichen Support von Bry Webb am Mikrofon.
"Graveyard" inszeniert ein unaufgeregtes Nebeneinander von Gitarre, Synths, Piano und Drums und holt zur Bridge die Bläser hervor, um sich mit diesen, einem Backgroundchor und den Worten "Bring them all back to life" in eine starke, finale Hookline zu steigern. Der sehnsüchtelnde Soul-Blues in "How come you never go there" verursacht bei all den eingestreuten Bläsersektionen Kopfschütteln: "How come I'm so alone there?" In der Tat unverständlich, dass eine Frau wie Feist allein bleibt. Eine Frau, die so schöne Bilder wie die Hochzeit des Kreises und der Linie kreiert und in "Undiscovered first" zum Schellenkranz-Walzer ein furioses, stimmgewaltiges Gitarren-Brass-Finale minutenlang hinter dem Berg hält. Das Cover kann zeigen, was es will: Feist schlägt mehr Wurzeln, als es surreale F-Bäume je könnten.
Highlights
- The bad in each other
- Graveyard
- Caught a long wind
- A commotion
- Undiscovered first
- Cicadas and gulls
Tracklist
- The bad in each other
- Graveyard
- Caught a long wind
- How come you never go there
- A commotion
- The circle married the line
- Bittersweet melodies
- Anti-pioneer
- Undiscovered first
- Cicadas and gulls
- Comfort me
- Get it wrong, get it right
Gesamtspielzeit: 50:07 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Zappyesque Postings: 1024 Registriert seit 22.01.2014 |
2022-07-18 18:49:02 Uhr
:) Vielleicht springt ja was bei der aktuellen „multitudes“ tour raus. War da jemand? |
Hoschi Postings: 1866 Registriert seit 16.01.2017 |
2022-07-18 18:46:44 Uhr
Ich hab's mir vorgestern kurz überlegt aber dann doch die erste gehört.Ok, ich versuch es nochmals. Neuem Material wäre ich trotzdem nicht abgeneigt:) |
Zappyesque Postings: 1024 Registriert seit 22.01.2014 |
2022-07-18 18:33:59 Uhr
„Pleasure“ würde ich nochmals eine Chance geben. Ich tat mich anfangs auch schwer, inzwischen reiht es sich für mich nahtlos in ihre Diskografie ein… |
Hoschi Postings: 1866 Registriert seit 16.01.2017 |
2022-07-18 16:19:58 Uhr
Pleasures fand ich irgendwie seltsam.Hab es echt häufig probiert aber nie Zugang zu dem Album gefunden. Die ersten 3 Platten sind aber grandios. Liege der Dame aber eh zu Füßen, egal ob Solo, Broken social scene oder den Kings of convenience. |
MopedTobias (Marvin) Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion Postings: 20233 Registriert seit 10.09.2013 |
2022-07-18 15:57:14 Uhr
Der Opener ist einfach nur göttlich und einer der 100 besten Songs der 2010er. |
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Referenzen
Emily Haines; Simone White; Agnes Obel; Cat Power; Leona Naess; Keren Ann; Rachael Yamagata; Joni Mitchell; Sophie Hunger; Iron & Wine; Anna Ternheim; Soap&Skin; Frida Hyvönen; Mechanical Bride; Mocky; Joan As Police Woman; M. Ward; J. Tillman; A Fine Frenzy; Sophie Zelmani; Ani DiFranco; Hello Saferide; Beth Orton; Jolie Holland; KT Tunstall; Rosie Thomas; Azure Ray; Maria Taylor; Angus & Julia Stone; Sharon Van Etten; Kings Of Convenience; Aimee Mann; Holly Golightly; Laura Marling; St. Vincent; Vienna Teng; Susanne Sundfør; Antony & The Johnsons; Yael Naim; Emilíana Torrini; Ron Sexsmith; Maria Solheim; Lana Del Rey
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