Marissa Nadler - Marissa Nadler
Box Of Cedar / Cargo
VÖ: 24.06.2011
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Schall und sein Gebrauch
Wie man hineinruft, so schallt es heraus. Das weiß insbesondere Atmo-Folk-Waldschrätin Marissa Nadler. Auf ihrem selbstbetitelten fünften Album kehrt so manches wieder, dem sie schon einmal ihre Stimme lieh. Situationen, Stimmungen, Figuren und Alter-Egos aus ihren Texten geben sich ein Stelldichein zur Zwischenbilanz. Daisy, John Lee, Marie und wie sie alle heißen. Dass Nadler dieses Echo aus der eigenen Vergangenheit nicht in nochmal gesteigerte Ätherik überführt, mag zunächst überraschen. Ist aber trotzdem so.
Denn "Marissa Nadler" tritt an, um vergangene Rätsel zu lösen und Schicksale aufzuklären, keineswegs, um neue Gespenster zu produzieren. Entsprechend präsent zeigen sich Stücke wie "The sun always reminds me of you" und "In a magazine" - mit mächtig Country-Einschlag, vorgetragen in typischem Humpel-Rhythmus, mit ordentlich Pedal Steel, einigen Piano-Tupfern und schüchtern produziertem, doch perfekt sitzendem Chorusgesang. Da schunkeln Lieschen Müller, Jane Doe und John Smith gleichermaßen mit. Eine derartige Klarheit ist sicherlich neu für Nadler, steht ihrem Album jedoch gut - vorrangig allerdings, weil sie es dann doch nicht allzu sehr übertreibt.
Stattdessen lässt sich zu "Mr. John Lee, revisited", "Little king" und dem abschließenden "Daisy. Where did you go?" jede Sekunde damit rechnen, dass Sun Kil Moons Mark Kozelek persönlich in den Kummerchor einstimmt, derart rund und tieftraurig tropfen die Pickings von Nadlers Griffbrett. Hochwillkommene Miniaturen, denen ein wenig Vibraphon, Banjo und Delay genügen, um doch noch genau die Dämonen zu beschwören, von denen die Songs vorgeblich gar nichts wissen wollen: "I carried you / Your weight for a long time / Through years and towns and took refuge / And I carried your weight upon mine." Ist halt nicht so leicht, Geister anzurufen und ihnen gleichzeitig das Herumspuken abzugewöhnen.
So hintergeht sich auch der Schunkelrhythmus spätestens bei "Baby, I will you leave you in the morning" selbst, wenn all die Melancholie in einen ergreifenden Schlusssatz hinausdämmert, als sei die Sonne über Capri ihr einziger, verlorener Fixstern. Auch die Art und Weise, wie aus der Mitte von "Puppet master" ein 4/4-Takt im Walzer-Vibe aufersteht, um zu Vibraphon, Bass und Schlagzeug eine zweistimmige Bittersüße anzustimmen, beschwört erneut den Schlager in uns allen. Karibik muss ja nicht immer Rum mit Cola heißen. Und auch "Lovesongs on the radio" könnten an sich ein ähnliches Ärgernis sein wie ihre unbeirrbare Wiederkehr in den Refrains potentieller Anti-Radio-Hits.
Will sagen: Was Nadler hier unter ihrem eigenen Namen aufführt, bewegt sich stellenweise schon an der Grenze zum Kitsch. Genau das aber ist die gespenstische Spannung, von der "Marissa Nadler" lebt. Songs wie "Alabaster queen" oder "Wedding" ergeben sich in Musik und Texten in eine bald ruhende, bald langsam aufbrandende Atembewegung, die ständig be- und abschwört, herbeiruft und wieder exorziert. Und bei "In your lair, bear" wird diese Bewegung mit jeder Betonung der Diskanten derart intensiv, dass es dem Hörer spätestens zum von Nadlers Stimme anbetungswürdig geöffneten Refrain den Atem raubt. Ein Echolot, wenn Kummer droht.
Highlights
- In your lair, bear
- Mr. John Lee revisited
- Wedding
- Daisy. Where did you go?
Tracklist
- In your lair, bear
- Alabaster queen
- The sun always reminds me of you
- Mr. John Lee revisited
- Baby I will leave you in the morning
- Puppet master
- Wind up doll
- Wedding
- Little king
- In a magazine
- Daisy. Where did you go?
Gesamtspielzeit: 45:02 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Musikgeniesser |
2019-05-15 12:26:08 Uhr
Verglichen mit dem göttlichen Gesang von Beyoncé ganz schön scheiße. |
keeenan |
2019-04-02 12:03:05 Uhr
wohl eher ne gmiIf...aber das ist mir zu alt, NOCH jedenfalls :-D muhahahahaha |
Powervoter-Andy |
2019-03-07 12:28:36 Uhr
Mutti! |
Falafel-Andy |
2019-03-07 12:27:42 Uhr
Nettes Gesangl |
Adorno |
2019-03-07 12:22:16 Uhr
An unsere Lena kommt sie gesanglich leider nicht heran. |
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Referenzen
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