Hooverphonic - The night before
Columbia / Sony
VÖ: 17.06.2011
Unsere Bewertung: 5/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Schritt zurück im Zorn
"Anger never dies / It's part of life." Ein Stoßseufzer, der auch Hooverphonic-Kopf Alex Callier vor einiger Zeit entfahren sein dürfte: Gerade hatten die Belgier mit "The president of the LSD golf club" ihr Trip-Hop-Image hinter sich gelassen und sich in Richtung groovy Swamp-Rock und Blues-Twang positioniert, als sie plötzlich ohne Sängerin dastanden, weil Geike Arnaert nach elf Jahren keine Lust mehr hatte. Doch schließlich war mit Noémie Wolfs eine Nachfolgerin gefunden - alles noch einmal gutgegangen also. Wären auf dem siebten Hooverphonic-Album die verruchten Anwandlungen des Vorgängers nicht ebenso verschwunden wie die frühere Vokalistin. Und so ist "The night before" zunächst einmal ein Rückschritt.
Allerdings einer, der mit "Anger never dies" schöner gar nicht beginnen könnte: Die dicke Steintrommel macht den Anfang, weicht dann einem luftigem Backbeat, einem opulenten Streicherarrangement und Wolfs' strahlend voluminöser Stimme, die unmissverständlich klarstellt, dass im Hause Hooverphonic nach wie vor die richtigen Personalentscheidungen getroffen werden. Das Titelstück verschärft danach das Tempo, während die neue Sängerin zu knurrender Rockgitarre und elektronisch verstärkten Strings umgestürzte Möbel begutachtet und erfolglos versucht, die Bruchstücke der vergangenen Nacht zu rekonstruieren. Und eigentlich will sie es auch gar nicht so genau wissen.
Musikalisch hingegen schwingen Hooverphonic keineswegs die Abrissbirne: Alles auf "The night before" hat seinen festen Platz, die Produktion glänzt wie frisch gewienert, Gesang und fein säuberlich drapierte Instrumentierung gehen eine friedliche Koexistenz ein, statt sich misstrauisch zu beharken. Weder beim charmant ausflockenden Dream-Pop von "One two three", dem zuckersüßen Shuffle "Identical twin" oder dem launig hoppelnden Jazzbar-Standard "George's café". Nur gelegentlich blitzen gitarriges Donnergrollen oder kleine John-Barry-Momente auf und setzen Reizpunkte in nervöser Grandezza, aus der bei "Encoded love" sogar eine imposante Bläserwand emporwächst.
Doch obwohl diese formvollendete Harmonie durchaus ihre Momente hat, begnügen sich Hooverphonic hier oft mit einer Pop-Symphonik, der die dunkel-enigmatische Dimension früherer Alben meist abgeht. Die eisblaue Kühle von "A new stereophonic sound spectacular" oder die bedrohlichen Untiefen von "The president of the LSD golf club" erreicht "The night before" jedenfalls kaum einmal, sondern will statt in den schwach durchfunzelten Nachtclub oder ins gesetzlose Roadmovie längst ganz offiziell in die Charts. Eine Mission, die zumindest in der Heimat längst erfüllt ist - für den Hörer bleibt immerhin gediegene Unterhaltung und die Erkenntnis, dass es wohl doch nicht ganz so hoch herging letzte Nacht. Doch ab und zu ist eben auch gegen einen ruhigen Abend nichts einzuwenden.
Highlights
- Anger never dies
- The night before
- Encoded love
Tracklist
- Anger never dies
- The night before
- Heartbroken
- Norwegian stars
- More
- One two three
- George's café
- Identical twin
- Encoded love
- How can you sleep
- Sunday afternoon
- Danger zone
Gesamtspielzeit: 38:15 min.
Referenzen
Daybehavior; Lunascape; Supreme Beings Of Leisure; Shivaree; 8mm; Bitter:Sweet; Flunk; Crustation; Anna Calvi; Elysian Fields; Amstrong; Bowery Electric; Télépopmusik; The Dø; Husky Rescue; Beth Orton; Morcheeba; Mazzy Star; Portishead; Hope Sandoval & The Warm Inventions; Ultra Orange & Emmanuelle; John Barry; Smoke City; Nouvelle Vague; Cranes; Laika; Lamb; Lou Rhodes; Phantogram; Devics; Violet Indiana; Phoebe Killdeer & The Short Straws; Curve; The Secret Meeting; Cat Power; Regina Spektor; Sol Seppy; An Pierlé & White Velvet; Zero 7; Keren Ann; Stina Nordenstam; Bronagh Slevin; The Cardigans; A Camp; Feist; Sarah Bareilles; Adele; Lykke Li; Goldfrapp; Briskeby; Bat For Lashes; The Postmarks; Madder Rose
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