Kaiser Chiefs - The future is medieval
Polydor / Universal
VÖ: 01.07.2011
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Raus aus den Schulden
In den letzten Jahren versuchten einige Bands und Künstler, dem dahinsiechenden Musikbusiness durch unkonventionelle Veröffentlichungstaktiken ein Schnippchen zu schlagen. Wir erinnern uns: Radiohead ließen 2007 die Fans selbst bestimmen, ob und wie viel Geld sie für die digitale Ausgabe von "In rainbows" zahlen wollen. Ash warfen das Albumkonzept über den Haufen und veröffentlichten ein Jahr lang regelmäßig Downloadsingles im Abo. Nun also die Kaiser Chiefs. 20 brandneue Songs stellten Ricky Wilson und Konsorten Anfang Juni auf die bandeigene Homepage, aus denen sich Fans ihre eigene 10-Track-Version des vierten Albums "The future is medieval" zusammenstellen konnten. Das individuelle Album war dann zu einem fairen Preis käuflich zu erwerben und durfte online sogar weiterverkauft werden. Zweifellos eine nette und zu Recht vielbeachtete Idee. Warum die Kaiser Chiefs jetzt doch wieder auf ausgetretenen Pfaden wandeln und einige der Lieder als reguläres Album veröffentlichen, bleibt ihr Geheimnis.
Doch auch die um den exklusiven Track "Kinda girl you are" ergänzte CD-Ausgabe von "The future is medieval" macht deutlich, dass die Kaiser Chiefs ihre Lehren aus dem mittelmäßigen Vorgänger "Off with their heads" gezogen haben. In der anschließenden selbstverordneten Zwangspause scheint sich das Quintett auf seine Stärken besonnen zu haben. Und diese liegen nun mal in der smarten Wiederverwertung verschiedener musikalischer Ideen aus den 70ern bis heute. Das neue Material, produziert von Morrissey-Vertrauensmann Tony Visconti, verzichtet auf überflüssigen Schnickschnack und macht einen klaren Schritt zurück zur rumpligen Melodieseligkeit der ersten beiden Alben. Zwar stolpert die Band ab und an immer noch über ihre 80s-Fixiertheit, wie im anstrengenden "Heard it break". Doch dafür gelingt den Kaiser Chiefs an anderer Stelle mit "Starts with nothing" endlich wieder eine majestätische Rockhymne, die ein würdiger Erbe für "I predict a riot" ist. "Geht doch!", möchte man freudig ausrufen. Und stellt fest: Das kann für das gesamte Album festhalten. Es mag nicht ganz perfekt sein, aber es ist zum Großteil überraschend stark.
Denn über weite Strecken zeigen die Kaiser Chiefs ein sicheres Händchen für verschiedenste Arrangements und - im Gegensatz zum Vorgänger - für Melodien. In lauten Momenten wie "Kinda girl you are" oder dem knackigen Refrain von "Long way from celebrating" hört man der Band geradezu die Freude am Abrocken an. Auf der anderen Seite entpuppt sich die Single "Little shocks" als verblüffend ausgefeiltes Stück, das seine Ohrwurmqualitäten erst nach mehrmaligem Hören offenbart. Und wenn es mal etwas ruhiger und getragener wird, scheint die ganze Klasse der Engländer durch: "Out of focus" hat eine starke Melodie, "Coming up for air" verbindet eine solche mit tollem psychedelischen Gitarren-Outro. Und dann noch das Schmankerl: Ganz am Ende berührt das tieftraurige "If you will have me" den Hörer plötzlich im Innersten. Das von Drummer Nick Hodgson gesungene und nur von Akustikgitarre begleitete Klagelied ist ein unerwartetes Album-Highlight und zeigt überraschende neue Möglichkeiten für die Kaiser Chiefs auf. Vor gar nicht allzu langer Zeit vermutete man die einstigen Lieblinge noch in der musikalischen Sackgasse - doch das kreative Feuer bei den Engländern lodert noch. Für die Kaiser Chiefs liegt die Zukunft wohl tatsächlich in der Vergangenheit.
Highlights
- Little shocks
- Starts with nothing
- Coming up for air
- If you will have me
Tracklist
- Little shocks
- Things change
- Long way from celebrating
- Starts with nothing
- Out of focus
- Dead or in serious trouble
- When all is quiet
- Kinda girl you are
- Man on Mars
- Child of the Jago
- Heard it break
- Coming up for air
- If you will have me
Gesamtspielzeit: 59:57 min.
Album/Rezension im Forum kommentieren (auch ohne Anmeldung möglich)
Teile uns Deine E-Mail-Adresse mit, damit wir Dich über neue Posts in diesem Thread benachrichtigen können.
(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
Dieter |
2011-09-21 02:03:23 Uhr
Ich bin auch sowas von positiv überrascht |
Mr. Fritte |
2011-07-04 21:01:21 Uhr
Ich find das Album ja überraschend gut. Kein einziger Song drauf, der nicht irgendwie interessant wäre. Ich würd mal glatt sagen, das ist ihr bestes Album seit Employment! |
Lauter |
2011-07-04 10:31:15 Uhr
Laut.deSelten wurde die Entstehung einer Platte so kontrovers und intensiv diskutiert wie im Falle des aktuellen Kaiser Chiefs-Werks "The Future Is Medieval". Der von der Band ins Rollen gebrachte Prozess rund um die Gestaltung ihres vierten Studioalbums im Zeichen einer groß angelegten "Create-Your-Own-Album"-Offensive dürfte mittlerweile hinlänglich bekannt sein. weiterlesen Viel interessanter ist dabei, das Echo der Öffentlichkeit zu beobachten, die sich zunehmend in zwei Lager spaltet. Während die einen die Vermarktungsstrategie der Engländer als revolutionär lobpreisen, formiert sich auf der Gegenseite ein immer größer werdender Widerstand, der der Band mangelnde Kreativität und die Verletzung künstlerischer Tradition vorwirft. Mit den dreizehn Songs der "offiziellen" Version von "The Future Is Medieval" wird das Quintett eine auf den musikalischen Inhalt bezogene nicht minder angeregte Debatte entfachen. Denn es gibt nicht wenige "Employment"-Veteranen unter der Anhängerschaft der Band, die sich mit dem neuen Album eine Rückbesinnung auf alte Tugenden der Briten erhofft hatten. Diese Klientel wird auch im Jahr 2011 enttäuscht die Blicke gen Boden sinken lassen. Die Mannen um Sänger Ricky Wilson fahren auf "The Future Is Medieval" zwar ziemlich viel auf, aber ähnlich adrenalingeschwängerte Hit-Garanten wie "I Predict A Riot", "Ruby" oder "Everyday I Love You Less And Less" sucht man hier vergebens. Vielmehr werden sich diejenigen Fans an der Platte laben, die den Kaiser Chiefs das Recht auf Entwicklung zugestehen. Wie bereits die beiden Vorgänger "Off with Their Heads" (2008) und "Yours Truly, Angry Mob" (2007) skizziert das neue Album die künstlerischen Vorstellungen einer Band in einer ganz bestimmten Phase ihrer Karriere, die sich aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem nächsten Album wieder gänzlich anders darstellen wird. Weiterentwicklung und Experimentierfreude genießt bei den Chiefs höchste Priorität. Der Opener "Little Shocks" oder "Long Way From Celebrating" erinnern noch am ehesten an die Anfangstage. Das Album wirkt insgesamt wesentlich ruhiger, schleppender und auch düsterer als die Vorgänger. Die Band erscheint gereift. Auch wenn man nur schwerlich von einem kompakten oder gar homogenen Gesamtpaket sprechen kann, zieht sich dennoch ein - wenn auch ziemlich dünner - roter Faden durch die dreizehn Tracks. "Can't Mind My Own Business" oder auch das famose "Heard It Break" packen einen zwar nicht nach fünf Sekunden und lassen einen nicht mehr los. Vielmehr umgarnt die neuerliche Intensität der Chiefs-Ergüsse den Hörer eher hinterrücks, um sich dann um so intensiver festzubeißen. Bowie-Lastiges à la "Things Change", Pilzkopf-Huldigungen wie auf "When All Is Quiet" oder auch Synthie-Spielereien auf "Out Of Focus" hellen den nachdenklichen Gesamteindruck immer wieder auf. "The Future Is Medieval" ist in seiner Gesamtheit ein Songwriting-Crossover auf höchstem Niveau. Die Kaiser Chiefs im Jahr 2011 lassen sich in keine gängige Schublade verfrachten. Fans der ersten Stunde werden es nicht hören wollen, aber es bleibt spannend zu erwarten, wohin ihre Reise die Band noch führen wird. Von künstlerischem Mainstream oder gar Stagnation sind die Engländer jedenfalls so weit entfernt, wie Pietro Lombardi vom King Of Pop-Titel. einklappen |
qwertz |
2011-06-29 21:46:54 Uhr
Finde das Album sehr mittelmäßig und die Auswahl der 12 Stücke aus 20 äußerst fragwürdig. Als Highlights sehe ich auch "Starts with nothing" und das akustische Ding am Ende. Dazu klingt "Dead or in serious trouble" total nach Blur in ihrer Mittelphase. Und das ulkige "Cousin in the Bronx" was es nicht rauf geschafft hat, kommt mit ner lustigen Morrissey-Bridge daher. |
Mr. Fritte |
2011-06-29 19:31:52 Uhr
Laut Amazon heißt der Hidden Track "Howlaround". Bin mir aber nicht sicher, wie sehr man Amazon da vertrauen kann, wenn ich mir die angebliche CD 2 so anschaue. ;) |
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Hard-Fi; The Cribs; Dogs; Maximo Park; The Libertines; The Smiths; Morrissey; Razorlight; Elefant; The Jam; The Undertones; The Kinks; Buzzcocks; The Robocop Kraus; Arctic Monkeys; Dogs Die In Hot Cars; Babyshambles; The Fever; The Killers; New Order; The Bravery; Bloc Party; Franz Ferdinand; XTC; Editors; Interpol; The Ordinary Boys; Orange Juice; Hot Club De Paris; Art Brut; The Futureheads; Ash; The Strokes; The Rakes
Bestellen bei Amazon
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv
Threads im Plattentests.de-Forum
- Kaiser Chiefs - Employment (175 Beiträge / Letzter am 22.03.2024 - 01:49 Uhr)
- Kaiser Chiefs - Yours truly, angry mob (127 Beiträge / Letzter am 13.03.2024 - 18:13 Uhr)
- Kaiser Chiefs - Kaiser Chiefs' easy eighth album (14 Beiträge / Letzter am 13.03.2024 - 16:54 Uhr)
- Kaiser Chiefs - Duck (13 Beiträge / Letzter am 20.10.2021 - 17:43 Uhr)
- Kaiser Chiefs live (11 Beiträge / Letzter am 07.10.2019 - 12:17 Uhr)
- Kaiser Chiefs - Stay together (16 Beiträge / Letzter am 25.07.2019 - 16:10 Uhr)
- Kaiser Chiefs - Education, Education, Education & War (19 Beiträge / Letzter am 25.06.2014 - 12:09 Uhr)
- Kaiser Chiefs - The future is medieval (28 Beiträge / Letzter am 21.09.2011 - 02:03 Uhr)
- Kaiser Chiefs - Off with their heads (29 Beiträge / Letzter am 17.01.2009 - 21:55 Uhr)