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The Antlers - Burst apart

The Antlers- Burst apart

Transgressive / Cooperative / Universal
VÖ: 24.06.2011

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Die Endwende

Es wäre zu viel verlangt und auch falsch gewesen, ein zweites "Hospice" zu erwarten. Die Intensität des Antlers-Albums glich einem randvollen Fass vor dem Überlaufen, dessen emotionaler Tiefgang jede noch so kleine Lücke im Mark fand. Der Versuch, sich dem zu entziehen, war verschwendete Energie. Und die brauchten angesichts dieser Platte selbst gestandene Männer, um Stärke zu demonstrieren und nicht in aller Öffentlichkeit hemmungslos loszuheulen. Diese Bürde wog schwer und hat The Antlers zu einem Umdenken geführt. Als "traurige Band" wollte und will Sänger und Songschreiber Peter Silberman das Trio aus Brooklyn nicht abgestempelt sehen - schließlich hat ihr Gefühlsspektrum weitaus mehr zu bieten.

Auf "Burst apart" in der direkten Gegenüberstellung optimistischere Klänge anzuschlagen, erscheint kinderleicht. Viel tiefer als in das seelische Zentrum des kathartischen Vorgängers konnte die Band ohnehin nicht fallen. Der Tod aber wabert erneut durch diese 41 Minuten Musik, und würde man das Feld von hinten aufrollen, ließe "Putting the dog to sleep" kaum eine Umkehr vermuten: "Prove to me I'm not gonna die alone". Es ist aber lediglich ein koffein- und zuckerfreies "Epilogue" und nicht repräsentativ für den durchaus unerwarteten Rest des Albums. The Antlers sind im Arbeits- und Produktionsprozess noch enger zusammengerückt, und je mehr aus Silbermans Soloprojekt ein Bandkomplex mit Darby Cicci und Michael Lerner erwächst, desto autarker erscheint der Output.

Einen Produzenten sucht man in den Credits vergebens. Die drei regeln das unter sich und haben in monatelanger Arbeit den Folk weiter von sich weggekickt, Bläser fast gänzlich eliminiert und elektronische Fundamente auf Augenhöhe mit der Machart des Post-Rock gesetzt. Atmosphärisch dicht gestaffelt starten The Antlers mit poppiger Attitüde in "I don't want love", es folgt der Tropical Groove von "French exit", der in den ersten Takten kurzzeitig The Xx ins Gedächtnis bugsiert, und die bedrohlich sägenden Gitarren zu Silbermans entrücktem Falsett-Gesang in "Parantheses" komplettieren gleich zu Beginn ein Songtrio, das unterschiedlicher kaum sein könnte: "I'm a bad amputee / With no phantom memory".

Das Falsett begegnet einem auch bei "Rolled together" und "Hounds" - und um Silberman herum agieren zwei Musiker, die es aufnehmen und in Szene setzen können. Sei es im überragenden, synth-sakralen "No widows", dem souligen Schlusstrack "Putting the dog to sleep" oder in "Tiptoe", das wie ein gemeinsamer, schweigender Spaziergang durch leergefegte Straßen klingt, während an den Außenfassaden leicht ranziger Jazz-Bars die Neonröhren flackern. Es ist, als schiebe man sich mit der Band durch das beklemmende Gefühl der Einsamkeit inmitten einer Metropole. Die wichtigste Erkenntnis von "Burst apart" ist, dass The Antlers nicht zwingend die unheilvolle, konzeptionelle Qual brauchen, um zielsicher tief ins empfängliche Mark zu treffen. Die Zielscheibe wird trotzdem genau dort aufgemalt und die Koordinaten nach Brooklyn geschickt. Damit sie den Weg wieder finden. Für den nächsten Besuch. Auf bald.

(Stephan Müller)

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Highlights

  • French exit
  • No widows
  • Rolled together
  • Hounds

Tracklist

  1. I don't want love
  2. French exit
  3. Parantheses
  4. No widows
  5. Rolled together
  6. Every night my teeth are falling out
  7. Tiptoe
  8. Hounds
  9. Corsicana
  10. Putting the dog to sleep

Gesamtspielzeit: 41:17 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
223
2014-12-05 13:36:49 Uhr
großes Album, bis auf "French Exit", das ist für etwas deplatziert halte..
Jennifer
2012-04-19 19:14:32 Uhr
Hm, könnte sogar stimmen:

http://www.austin360.com/blogs/content/shared-gen/blogs/austin/music/entries/2011/06/07/the_story_behind_the_song_the.html?cxntfid=blogs_austin_music_source

"During a 3 day, no-sleep mixing marathon in the dead of that winter, in the last days of our work, I found an article about a man in a tiny town called Corsicana, TX, whose family had perished in a fire, who, at the start of the article appeared a tragic, ill-fated grieving father.

But as it continued, evidence quickly and obviously pointed to this father as the arsonist. This confusion of victim and perpetrator seemed fitting for the recording, a simple love song about a relationship seemingly ended by circumstance, but actually killed by both partners’ unwillingness to save it. Unlike the case of the man in Corsicana, TX, the sabotage in the song is unintentional."

In dem Fall würde ich dann sagen, dass die Beziehung vielleicht eine jener darstellt, in von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist und trotz der durchziehenden Frustration und Gewalt anhält; womöglich aufgrund des Nervenkitzels und der Leidenschaft. Sie endet aber trotzdem, mit einem Kuss, das als letztes Zeichen für eben jene Leidenschaft steht, die der einzige Kleber für die Beziehung war. Und danach "stirbt" eben alles.
????
2012-04-19 16:27:54 Uhr
ich meine aber diesbezüglich gelesen zu haben, dass die mordgeschichte nur titelgeber war. der text stand schon vorher.

silberman meinte wohl, dass es sich in dem song, um eine liebesgeschichte handele, in der kein bemühen vorhanden sei, die liebe aufrecht zu erhalten. der bezug zur mordgeschichte besteht wohl darin, dass die schuldfrage für das enden der liebe/mord an die kinder zunächst im raum stand. Vor diesem hintergrund wirkt eine romantische interpretation widersprüchlich, da ja eigentlich keine liebe mehr vorhanden ist.


Jennifer
2012-04-19 16:08:07 Uhr
Ich zitiere mich mal selbst:

"Die Story hinter "Corsicana" ist sicher keine romantische: Ein Vater schließt seine Kinder im Zimmer ein und zündet das Haus an. So düster klingt es auch: Sanfte Klänge zur ernüchternden Erkenntnis, hier nicht mehr rauszukommen. Das Fehlen jeglichen Schlagzeugs wirkt wie ein ewig aussetzender Herzschlag. Dazu die schönste und traurigste Metapher des Jahres: "We should hold our breath with mouths together now.""

Ich denk mir also: Wenn wir schon sterben, dann gemeinsam und in Liebe, etc.. Wendet man es auf den Song an, glaube ich, dass es um eine Beziehung geht, die am Zerbrechen ist (= das brennende Zimmer). Die beiden Liebenden versuchen zu retten, was nicht zu retten ist (= "wir schließen schnell alle Fenster") und merken am Ende, wie sinnlos dieses Unterfangen ist. Also lieber die letzten Minuten so liebevoll und friedlich miteinander verbringen, wie es nur möglich ist.
????
2012-04-19 15:26:12 Uhr
Wie interpretiert ihr die Zeile in "Corsicana"

"We should hold our breath with mouths together now" ?
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