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Fucked Up - David comes to life

Fucked Up- David comes to life

Matador / Beggars / Indigo
VÖ: 03.06.2011

Unsere Bewertung: 9/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Keine Seifenoper

Dass sie es irgendwann einmal schaffen, war nur eine Frage der Zeit. Nicht etwa, weil ein blindes Huhn auch mal ein Korn findet. Und nicht, weil bei so viel Masse nach allen Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung zwischendurch auch einmal Klasse entstehen muss. Nein, es liegt einzig und allein an der überbordenden Kreativität, mit der Fucked Up aus Toronto seit Jahren Unmengen großartige Platten produzieren wie kaum eine zweite Band und so ihre Genreschublade längst zu Kleinholz verarbeitet haben. Denn dass die Band einst in den ranzigeren Bereichen des Hardcore angefangen hat, wo Innovation nicht unbedingt an der Tagesordnung ist, mag man angesichts ihres dritten Albums "David comes to life" - einer Hardcore-Oper - gar nicht glauben.

Punkrock dient hier allenfalls noch aus Gewohnheit oder aufgrund des angepisst-räudigen Gesangs von Frontmann Damian Abraham als Einordnungskategorie. Gerecht wird dieser Begriff der Band schon länger nicht mehr, weil sie hier Sound, Songs, Konzept und Platte an sich in einen Käfig sperrt, dessen Stangen sich schon in den ersten Minuten biegen und schnell zu bersten drohen: Nach vorne stürmende Starkstromgitarren zergehen gleichzeitig in enthusiastischem Gebolze und gleißenden Harmonien und machen "Queen of hearts" zu einem ungewöhnlichen, aber zwingenden Sommerhit.

"David comes to life" ist so randvoll mit Highlights, dass einem in knapp 80 Minuten niemals langweilig wird. Das Tempo bleibt durchgängig hoch, der Druck fällt zu keiner Zeit ab. Eine großartige Hookline folgt auf die andere, die meisten würden auch in anderen musikalischen Kontexten glänzen - und Fucked Up sind sich nicht zu schade, das auch anzudeuten. Zum Beispiel bei der äußerst spacigen Leadgitarre von "Ship of fools", die sich anhört, als würde Angus Young auf der Raumstation Mir herumhüpfen, oder beim poppig-garagigen Stakkatoriff von "The other shoe", das mit bezaubernder Frauenstimme Kuscheligkeit antäuscht, bevor Abrahams raues Gebell einsetzt.

Denn auch wenn Fucked Up paradoxerweise gerade auf diesem überlangen Konzeptalbum zugänglicher sind als je zuvor, eignet sich "David comes to life" keineswegs für ein romantisches Date. Einige Songs gehen trotzdem ein wenig mit konventionellem Hitcharakter auf Tuchfühlung: Die atemlose Leadgitarre von "Queen of hearts" setzt sich unmittelbar im Ohr fest, "Under my nose" ist hinter dem stimmlichen Gepolter regelrechte Tanzmusik, und "Truth I know" kann man samt fantastischem Lick mit viel gutem Willem sogar als pathetische Halbballade bezeichnen. Trotzdem gilt nach wie vor: Bevor Fucked Up in der Popmusik ankommen, friert eher die Hölle zu.

"David comes to life" ist damit nicht nur konzeptionell, sondern auch atmosphärisch und musikalisch näher an "Tommy" von The Who als an glattgebügelten Seifenopern wie Green Days "American idiot". Zudem meistert die Band etwas, an dem schon viele Konzeptalben gescheitert sind: "David comes to life" besteht nicht aus vage zusammenhängenden Stücken, die allenfalls ein übergeordnetes Thema gemein haben, sondern bildet ein homogenes Ganzes, eine tatsächliche Erzählung, der man zumindest anhand des Booklets ähnlich gut folgen kann wie der Drive-By-Truckers-Großtat "Southern rock opera". Dass zudem auch noch ganz kleine Details stimmen - zum Beispiel, dass jeder Songtitel aus drei Worten besteht - macht das Gesamterlebnis nur noch konsistenter. Oder um es den Worten des Protagonisten zu sagen: "I couldn't understand what just happened to my heart."

(Maik Maerten)

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Highlights

  • Queen of hearts
  • The other shoe
  • Truth I know
  • Ship of fools
  • Lights go up

Tracklist

  1. Let her rest
  2. Queen of hearts
  3. Under my nose
  4. The other shoe
  5. Turn the season
  6. Running on nothing
  7. Remember my name
  8. A slanted tone
  9. Serve me right
  10. Truth I know
  11. Life in paper
  12. Ship of fools
  13. A little death
  14. I was there
  15. Inside a frame
  16. The recursive girl
  17. One more night
  18. Lights go up

Gesamtspielzeit: 79:15 min.

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User Beitrag

Rote Arme Fraktion

Postings: 4112

Registriert seit 13.06.2013

2021-06-08 18:57:37 Uhr
Ship of Fools ist Hammer

MopedTobias (Marvin)

Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion

Postings: 19949

Registriert seit 10.09.2013

2021-06-08 18:53:36 Uhr
Ich schätze gerade die Ambitionen der Band, allein was sie auf "Dose your dreams" alles abziehen, ist der helle Wahnsinn. Mit das vielseitigste (härtere) Rock-Album der jüngeren Vergangenheit. Würden sie den Aufwand herunterschrauben, wären sie längst nur eine Punkband unter vielen.

MopedTobias (Marvin)

Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion

Postings: 19949

Registriert seit 10.09.2013

2021-06-08 18:50:03 Uhr
Aber natürlich, Story und Lyrics sind nämlich absolut fantastisch. Das Album ist trotz Gleichförmigkeit fast eine 10 für mich und "Queen of hearts" wird in meiner Ewigkeitsliste weit vorne vertreten sein. Nichts als Liebe für Fucked Up!

Eurodance Commando

Postings: 1731

Registriert seit 26.07.2019

2021-06-08 18:50:01 Uhr
Das Konzept ist mir auch ziemlich latte solange der Kram reinhaut wie Queen of Hearts. Würde allen Alben die 7/10 geben, finde sie hier ein wenig überschätzt. Weniger (Pomp) wäre mir bei der Band mehr...

fakeboy

Postings: 4684

Registriert seit 21.08.2019

2021-06-08 18:46:07 Uhr
Ich mag die Band, ich mag die Platte - auch wenn sie praktisch durchgehend gleich tönt... Was ich mich frage: gibt es Leute hier, die das wirklich als zusammenhängende Geschichte hören, als Konzeptalbum? Für mich sind das einfach nette Punkrocksongs, aber auf die Inhalte hab ich mich noch nie geachtet...
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