Spaceman Spiff - ... und im Fenster immer noch Wetter
Mairisch / Broken Silence
VÖ: 18.03.2011
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Im Wortgewandt
Ungefragt kürt der Rezensent den Albumtitel schon jetzt in die Top5 dieses Jahres. Ähnlich wie Fettes Brot in "An Tagen wie diesen", wo die Wertigkeit und Beiläufigkeit von Katastrophenszenarien neben dem Wetter bemängelt wird, drückt "... und im Fenster immer noch Wetter" aus, wie sich der Blick aus dem Fenster doch gleicht, egal, was gerade um uns herum passiert. Die Zeile stammt von Hannes Wittmer, der sich mit Spaceman Spiff den Namen einer Comicfigur zu eigen gemacht hat und sein zweites Album veröffentlicht. Konsequenterweise spielt das Wetter für das Album keine tragende Rolle und bildet lediglich in "Schnee" die Basis einer Beziehung zwischen Sackgasse und Einbahnstraße: "Du und ich und eine Schneeballschlacht / Wir bewerfen uns mit Schnee von gestern / Und Du wirfst wie ein Mädchen / Aber triffst wo es weh tut."
Was sich hier bereits andeutet, zieht sich durch das gesamte Album. Das große Plus dieser Platte sind Wittmers Texte. Denn auch wenn er zurecht die Vergleiche in Stimme oder Betonung mit Gisbert Zu Knyphausen nicht von der Hand weisen kann, zeigt der Singer-Songwriter, wie herrlich unpeinlich der Umgang mit der deutschen Sprache sein kann. Im Gegenteil sogar: Welche Raffinessen sie im Spiel mit Doppeldeutigkeiten oder der kunstvollen Beobachtung bieten kann. "Und hinter Dir sind Fußspuren / Und vor Dir dann später", singt das Alter Ego Spacemann Spiff in "Ab heute immer jetzt", bevor ein mehrminütiges Instrumental einsetzt. Wittmer weiß ob dieser Fähigkeit, die in der Furcht der Reduktion auch Fluch zu sein scheint: "Ich bin nur so kryptisch, wie ihr mich redet / ... / Ich bin nur ich alleine / Ich bin nur so groß wie meine Kunst / Die Kunst ist nur so groß wie man sie teilt", stellt er in "Tee" klar und bedankt sich am Ende des Albums für die Aufmerksamkeit.
In dieser Höflichkeit wollen wir nicht verschweigen, dass die Basis von Wittmers Titeln stets die Akustik-Gitarre und seine Stimme sind. Energisch begleitet wird er allenfalls im Opener "Straßen", alle weiteren soundbezogenen Phrasierungen sind eher bedächtiger Zusatz, so dass Wittmer neben Zu Knyphausen auch die Ruhe eines J. Tillman aufgreift. Das aber zeichnet ihn eben nicht aus. Wittmers Songs sind gefällig und solide wie die Stechuhr am Arbeitsplatz, verlieren das Duell mit den Texten aber klar. Der Fundus an Zeilen, die umgehend ins kleine Buch der Lieblingszitate übernommen werden wollen oder sich als digitale Signatur im Social Web wiederfinden, wächst mit jedem Song. Mit Songs, die Wittmer im Internet mit "Sentimentale Scheiße" konnotiert. Funny van Dannen wäre erfreut. Der Hörer ist es bereits und staunt noch beim Ausgang an der Garderobe über Wittmers Wortgewand(theit): "Ich würde gerne sagen es reicht, doch ich müsste lügen."
Highlights
- Straßen
- Hamburg
- Elefanten
- Ab heute immer jetzt
Tracklist
- Straßen
- Treibsand
- Hamburg
- Zeit zu bleiben
- Mit Scherenhänden
- Photonenkanonen
- Schwarz weiß
- Elefanten
- Irgendwo ist immer woanders
- Schnee
- Ab heute immer jetzt
- Tee
Gesamtspielzeit: 42:52 min.
Referenzen
Gisbert Zu Knyphausen; ClickClickDecker; Moritz Krämer; Jan Böttcher; Philipp Süß; Bernd Begemann & Die Befreiung; Tom Liwa; Niels Frevert; Captain's Diary; Fink; Kettcar; Element Of Crime; Tim Bendzko; Reinhard Mey; Kleingeldprinzessin; Ich, Alexander; Tom Liwa; Nils Koppruch; Bosse; Erdmöbel; Enno Bunger; Tilmann Rossmy; Jasper; Philipp Poisel; Schöftland; Flowerpornoes; Voltaire; Rio Reiser; Francesco Wilking; Wolfgang Müller; Alin Coen Band; My Sister Grenadine; Tim Neuhaus; Tiemo Hauer; J. Tillman; Jupiter Jones; Blockflöte Des Todes; Sven Van Thom; Johannes Oerding; Milow; Clueso; Pohlmann; Andreas Bourani
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