Sofa Surfers - Encounters
Klein / Virgin
VÖ: 28.01.2002
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Macht den Drogen
Wien hinterläßt im Langzeitgedächtnis des gemeinen europäischen Tagestouristen ein schizophrenes Bild. Einerseits ist die österreichische Hauptstadt geprägt durch eine Kaffeehauskultur, die sich nachmittagelang durch den eigenen Saft der Gemütlichkeit robbt, ohne daß ihr dabei langweilig wird. Andererseits macht der Rohstoff dieses systematisierten Selbstgefallens die Stadt zum Mokkamekka schlechthin, mindestens diesseits des Bosporus: In Wien kickt das Koffeingebräu nunmal härter, schneller und qualitativ hochstehender als anderswo. Ähnlich zwiespältig hört sich der musikalische Ausstoß der osteuropäischen Metropole an. Dienen die Loungetriebwerke Kruder & Dorfmeister Mittelklasseparties als entsprechende Untermalung im Hintergrund oder Madonna-B-Seiten als halbdezente Tracktitelfuchsschwänze, entzücken Labels wie Mego oder Trost Publikum und Presse dies- und jenseits des Atlantiks immer wieder mit innovationsfreudigen und vor Cleverness strotzender Veröffentlichungen.
Nicht zuletzt diese Grundschizophrenie ist es, welche die neuste Platte der Wiener Sofa Surfers so angenehm macht. Oder, deutlicher formuliert: Die offensive Bewältigung des Wiener Urdilemmas zwischen charmanter Beliebigkeit und blankem Druck. Das offensichtlichste Bewältigungszeugnis ist auf "Encounters" natürlich der großflächige Einsatz von MCs und Rapspuren. Prominenz wie Junior Delgado, Dälek und MC Santana rauscht über die Tracks hinweg und sichert neue Perspektiven im Sofa-Surfers-Universum ab. Doch auch unter der slicken Oberfläche hat sich einiges getan. Die bekannte Surferbasis im Dub-Rock-Grenzgebiet wurde weitergedacht, runtergehobelt, entwickelt, herausgeputzt und hat von den Renovationsarbeiten auch einige frische Kerben davongetragen. Vor allem der immer schon mächtige Dub-Anteil hat dadurch deutlich an Attraktivität gewonnen und wirkt trotz großer Eigenständigkeit äußerst effektiv.
Detailverliebt machen sich die Sofa Surfers über die schweren Beats her und raspeln ohne falschen Respekt an den Dub-Grundkomponenten. Die verkiffte und teilweise sinnstiftende Entschleunigung bekommt ihr Fett weg, die Bässe werden trickreicher verteilt als auch schon und nerdgerechte Gehirnakrobatik verstreut sich an allen Ecken und Enden der Platte. Ein gewisses Maß an Düsternis kann dennoch gehalten werden und wirkt deutlich glaubhafter als in früheren, ähnlich gerichteten Experimenten. Woher die traumwandlerische Sicherheit kommt, mit der sich die Wiener Couchpiloten durch das eigentlich mit Fallen gespickte Stilgrenzengebiet bewegen, bleibt ungeklärt. Wir vermuten: Koffein in hohen Dosen ist schuld an geschärften Sinnen, während weitere Substanzen für die gut eingepaßte Lockerheit und Nachsicht gesorgt haben dürften.
Highlights
- Elusive scripts
- Home truths
- Selling souls
Tracklist
- Formula
- 21st century army
- River blues
- Babylon tymes
- Twisted tounge
- Eluxive scripts
- What kind of world
- See the light
- Can I get a witness
- Home truths
- Passin 'tru
- Selling souls
- Gamelan
Gesamtspielzeit: 60:07 min.
Referenzen
Techno Animal; DJ Spooky; U.N.K.L.E.; Coldcut; Bomb The Bass; Massive Attack; Groove Armada; Fila Brazillia; Goldie; Funkstörung; Dälek; Underworld; Lo-Fidelity Allstars; Kid Loco; Lee "Scratch" Perry; King Tubby; Mos Def; Saul Williams
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