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Mirrors - Lights and offerings

Mirrors- Lights and offerings

Skint / PIAS / Rough Trade
VÖ: 18.03.2011

Unsere Bewertung: 5/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Ein Scherbenhaufen

Reverse Engineering ist der Versuch, aus einem fertigen Produkt den Bauplan des Produkts ohne Kenntnis der ursprünglichen Herstellungsweise zu entwickeln, um damit das eigentliche Produkt selbst herstellen zu können. So entstanden bereits zahlreiche überaus bedeutsame Dinge: japanische Fotokameras, chinesische Computer oder Lady Gaga. Weil seit einiger Zeit auch der Zeitgeist rückwärts aufgerollt wird, werden neuerdings auch Attitüden und Leidenschaften recyclet. Gern genommenes Versuchsobjekt ist die Ernsthaftigkeit der New Romantics. Die hatten schließlich immer eine Nähe zum Grotesken, weswegen mangelnde Präzision im Nachbau nicht so schnell auffällt.

Dumm nur, dass Mirrors nicht die ersten sind, die diese schicken Anzüge Idee hatten. Im vergangenen Jahr haben bereits Hurts aus Manchester demonstriert, wie man mit Stilbewusstsein und gepflegter Frisur die Massen begeistert. Natürlich half ihnen dabei dieser eine Song. Mirrors haben jedoch kein "Wonderful life", sie haben nicht einmal ein "Stay" oder wenigstens eine kitschige Weihnachtssingle. Mirrors haben zwar die gleichen 8-Bit-Synthesizer, veranstalten damit aber Synthpop-Kirmes für die heimischen Piers. Die Brightoner haben nervöse Sequencer, glitzernde Melodien und ein paar abgetragene Italopop-Rhythmen dabei. Nicht mal Zuckerwatte muss der Zuhörer selbst mitbringen, denn im Melodiekarussell der 1982er-Piepser von Singles wie "Into the heart" oder "Hide and seek" kleben die Ohren von ganz alleine.

Die New Romantics stellten sich damals existentialistische Fragen, weil sie in den Warteschlangen vor den Betonbunkern der britischen Arbeitsämter reichlich Zeit zum Grübeln hatten. Mirrors jedoch haben keine wirklichen Sorgen, sondern nur Motivationsdefizite. Zeilen wie "You're boring me a little more with every day" halten sie für ernsthafte Reflexion. So pumpt "Ways to an end" harmloses Moll durch die Gegend und drückt sich vor Verantwortung: "It's easy to hold on to a lie". Zwar schüttet es schon im stoischen Opener "Fear of drowning" aus allen Eimern, doch Mirrors machen daraus kein tränenreiches Drama. Sie stellen sich unter.

Mit tapsiger Prä-Sampling-Elektronik versuchen sich die Brightoner an großen Gesten, doch nicht mal ihr Zynismus geht in die Tiefe: "These people want what these people cannot see / We sell them love through hypocrisy." James News Näseln soll dazu die tiefgründige Melancholie von Japans David Sylvian imitieren, bekommt aber nur das Säuseln von OMDs Andy McCluskey auf die Reihe. Wenn die Nasennebenhöhlen mal frei sind, gelingen Mirrors jedoch auch ein paar richtig gute Songs: "Secrets" wird trotz zehn Minuten Dauer kaum langweilig, "Somewhere strange" modernisiert die vier Viertel mittels Echo auf mittlere Achtziger, "Look at me" dosiert den Hochglanz für schwermütiges Wippen, und dem Karen-Dalton-Cover "Something on your mind" gelingt endlich auch mal das große Gefühl. Wo schon die Vorgängerband Mumm-Ra an grobschlächtiger Pop-Motorik scheiterte, haben auch Mirrors in der Zwischenzeit keine nennenswerten Erfahrungen mit Subtilität gemacht. Da hilft auch der schicke Synthesizer nicht weiter. Vielleicht hätten sie sich einfach eine Zeitmaschine bauen lassen sollen.

(Oliver Ding)

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Highlights

  • Look at me
  • Somewhere strange
  • Something on your mind

Tracklist

  1. Fear of drowning
  2. Look at me
  3. Into the heart
  4. Write through the night
  5. Ways to an end
  6. Hide and seek
  7. Somewhere strange
  8. Something on your mind
  9. Searching in the wilderness
  10. Secrets

Gesamtspielzeit: 50:21 min.

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