The Rural Alberta Advantage - Departing

Saddle Creek / Cargo
VÖ: 04.03.2011
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Kratzt etwas
Wenn das Debüt der kanadischen Indierocker The Rural Alberta Advantage ein leichter, angenehm zu tragender Cardigan war, ist "Departing" der etwas kratzige Wollpullover von Oma, den man nur selten aus dem Kleiderschrank kramt, im Innersten aber doch für seine Wärme schätzt. Im Kosmos des Trios hat sich wenig getan, auch haben sie an der Rezeptur ihrer kleinen Folkrock-Perlen kaum etwas verändert. Doch als Hörer wird man das Gefühl nicht los, dass die großen Momente, die das Debüt noch bereicherten, hier etwas seltener zu finden sind. Ein neues "Don't haunt this place" wird man jedenfalls vergeblich suchen, auch wenn mit "Muscle relaxants" wieder einmal auf die Tube gedrückt wird. Nicht falsch verstehen: "Departing" ist ein feines, sympathisches Album für den frühlingsfrischen Spätabend auf der großelterlichen Veranda, mit dem tollen "Hometowns" kann es sich jedoch leider nicht ganz messen. Was ja nicht weiter schlimm ist.
The Rural Alberta Advantage waren lange Zeit ein Insider-Tip für Freunde rumpeligen Indierocks, pop-verliebten Folks und nervöser Zuckungen. Mit ihrem Debüt konnten sie viele Anhänger gewinnen, releasten sie es doch über das renommierte Saddle-Creek-Label. Und da das Debüt bei Presse und Publikum wirklich gut ankam, schieben sie nun den ähnlich gepolten Nachfolger "Departing" nach: Etwas aufgekratzter, rumpeliger wirken die drei Freunde darauf. Die Melodien verstecken sich hinter den stoischen Drums, den schrammeligen Gitarren und der immer etwas nörgeligen Stimme von Frontmann Nils Edenloff. "Departing" ist daher weniger offensichtlich, weniger leicht zugänglich, vielleicht einfach etwas zickiger als der große Bruder.
Bedauerlicherweise öffnet die LP mit dem schwächsten Song: "Two lovers" ist ein behäbiger Schunkler, der seine Hände ganz tief in den Hosentaschen vergräbt, als gelte es dort nach verborgenen Schätzen zu suchen. Dabei vergisst das Stück, den Hörer mit offenen Armen zu begrüßen, wie es vor einem Jahr das hervorragende "The ballad of the RAA" tat. "The breakup" liefert mit seinem feinen Keyboard-Einsatz und dem knisternden Scheppern von Trommler Paul Banwatt einen ersten, kleinen Höhepunkt, bevor mit "Under the knife" ein wirkliches Juwel folgt: The Rural Alberta Advantage klingen im Prinzip dann am besten, wenn sich Drums, Keyboards und Edenloffs Stimme einen Wettstreit liefern. Wie kleine Jungs in ihren selbstgebauten Seifenkisten versuchen sich die einzelnen Elemente gegenseitig abzuhängen, stolpern über Wurzeln im Boden und fallen ab und an recht nonchalant auf die Nase.
Mit dem holprigen "Stamp" und dem zunächst zurückhaltenden "Tornado '87" haben The Rural Alberta Advantage zwei weitere Zuckerstücke in den Nachmittagstee geworfen, die sich vermutlich auch live hervorragend ins Gesamtbild einfügen werden. Eine Träne darf mit dem melancholischen "Coldest days" verdrückt werden, das eigentlich einen wunderbaren Rausschmeißer darstellen würde. Das Trio bleibt weiterhin ein zarter Lichtblick, ihre sensiblen Folknummern wirken wie gemacht fürs Ins-Pfützen-Springen, für Autofahrten an Nord- und Ostsee, eben für die kleinen Momente im Leben. Für die letzten kalten Tage des Frühlings ebenso. Der kratzige Wollpullover hat eben auch seine Vorzüge.
Highlights
- Under the knife
- Tornado '87
- Coldest days
Tracklist
- Two lovers
- The breakup
- Under the knife
- Muscle relaxants
- North star
- Stamp
- Tornado '87
- Barnes' yard
- Coldest days
- Good night
Gesamtspielzeit: 32:55 min.
Referenzen
Tokyo Police Club; The Acorn; Mumford & Sons; Noah And The Whale; Laura Marling; Slow Club; Blitzen Trapper; Admiral Fallow; Great Lake Swimmers; Ouhbijou; Titus Andronicus; Shout Out Louds; The Low Anthem; Voxtrot; Frightened Rabbit; Band Of Horses; Fleet Foxes; The Tallest Man On Earth; Horse Feathers; Get Well Soon; Alberta Cross; William Fitzsimmons; The Wrens; Frank Turner; Foreign Born; Land Of Talk; Telekinesis; Okkervil River; Port O'Brien; Islands; The Weakerthans; Someone Still Loves You Boris Yeltsin; Local Natives; Throw Me The Statue; Girls; Los Campesinos!; Fanfarlo; The Morning Benders; Attack In Black; Happy Birthday; Kevin Drew; Stars; The New Pornographers; Maritime; A Weather; Califone; Seabear; Matt & Kim; Electric President; The Hidden Cameras; The Ruby Suns; Midlake; Broken Bells; The Dodos; Wintersleep; The Mountain Goats; Broken Records; Arcade Fire; Shearwater; Dr. Dog; Bishop Allen; Rogue Wave; Fruit Bats; Real Estate; Wye Oak; Harlem Shakes; Sunset Rubdown; Yeasayer; Neutral Milk Hotel; The Apples In Stereo; Pavement; Rock Plaza Central; Tom Waits; Bob Dylan; Leonard Cohen; Johnny Cash
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