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Moritz Krämer - Wir können nix dafür

Moritz Krämer- Wir können nix dafür

Tapete / Indigo
VÖ: 04.03.2011

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Als sein Schatten

Ein bißchen fies ist es ja schon, was Gisbert zu Knyphausen da gemacht hat. Also, wenn man mal auf seine Kollegen schaut. Nicht nur, dass er das deutsche Singer-Songwriter-Genre ordentlich entstaubt und wiederbelebt hat - was ihm ganz großartig gelungen ist. Gleichzeitig beförderte er sich auf eine quasi unanfechtbare Position, sodass jeder, der nach ihm kommt, damit rechnen muss, dem zu-Knyphausen-Vergleich standhalten zu müssen. Das ist, gelinde gesagt, schon ziemlich schwer. Denn der Gute traf die Hörerschaft mit seinen Texten mitten ins Herz. Jetzt versucht sich also der Berliner Moritz Krämer daran, den Schatten loszuwerden. Natürlich ist man auch bei Krämer mehr als versucht, ihn in eine Schublade zu stecken. Ihn nicht nur mit Gisbert dem Großen, sondern in einem Aufwisch noch mit ClickClickDecker oder Philipp Poisel zu vergleichen. Und dann fällt einem doch irgendwie auf: Den Mann kann man gar nicht vergleichen.

Seine eigene Note gibt er dem Bekannten definitiv hinzu. Sein Debütalbum "Wir können nix dafür" ist eine Ansammlung von zwölf Songs, die nicht nur ins Herz gehen, sondern deren Texte sich auch noch im Kopf einnisten. Voller Melodien, die man noch viel später gerne nachsummt, dazu begleitet von einer Frische, die man zuletzt vielleicht vermisst haben mag. Los geht es mit "Ich und Du", als Einminüter recht kurz als Einstieg, aber immerhin schon ein gelungenes , wenngleich ruhiges Aufwärmen. Zu sachte gezupften Saiten singt Krämer von einer vermeintlich kaputten Beziehung. "Noch so ein Pärchen, wo man nicht auf der Rückbank sitzen will / Ich und du", singt er, und hier wird, wie so oft in den kommenden Songs, nicht ganz klar, ob es wirklich seine eigene Geschichte ist, die er da erzählt. In "Nachbarn" etwa steht das Erzähler-Ich auf dem mit Gitterstäben versehenen Balkon und beobachtet, richtig, seine Nachbarn. Während die Melodie den Hörer hektisch über viele "Wie fühlt sich das an?" hinwegträgt, findet sich der Erzähler schließlich nicht mehr auf dem Balkon wieder, sondern im Kinderbett, und die Gefängniserinnerung mitsamt der Stäbe bekommt eine völlig neue Bedeutung.

In "Für die Kinder" geht es ums Schwangersein, vor allem aber um das Wegrennen vor einer erwachsenen Beziehung. Der Traum von einem Häuschen auf den Phillippinen und der Familienkutsche, damit es auch die Kinder gemütlich haben, zerplatzt mit dem Satz "Und was ich schön an Dir fand / Find ich jetzt ziemlich hässlich / Du lächelst nie." Mit verspielter Klavieruntermalung gesteht sich der Erzähler seine eigenen Lügen ein, die von der heimtückischen Art sind, weil sie jeder mal durchmacht: "Ich weiß, ich hab gesagt, dass ich erwachsen werde / Ich glaub, ich hab mich geirrt." Etwas pompöser wird es in der Single "90 Minuten", in deren Beginn die Gitarre zur Unterstützung ausreicht, im Verlauf aber Streicher das Herz fast schwerer machen, als es textlich möglich wäre. Von der eigenen Beerdigung handelt "Hinterher", auch hier begegnen dem Hörer wieder Streicher, und die nötige Ironie darf bei einem derart düsteren Thema natürlich auch nicht fehlen: "Putin ist nicht da und Rachel Weisz ist nicht gekommen / Mein letzter Wille für den Arsch / Was für ein beschissener Tag." Zum Ende hilft das Schlagzeug dann doch noch vor dem Untergang in die Traurigkeit hinweg, und Krämer beweist sein Händchen für den richtigen Moment. Am Ende hebt er sich dann ein letztes Mal ab von all jenen, mit denen er verglichen werden könnte, aber nicht sollte: mit dem jazzigen Abgang "Aussterben" mitsamt einer Hymne auf den "letzten Thunfisch", der nicht auf eine Pizza gehört, sondern ins Wasser. Schwimm!

(Jennifer Depner)

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Highlights

  • Wir können nix dafür
  • Hinterher
  • Für die Kinder
  • 90 Minuten

Tracklist

  1. Ich und du
  2. Wir können nix dafür
  3. Nachbarn
  4. Winkel
  5. Nichts getan
  6. Hinterher
  7. Für die Kinder
  8. 90 Minuten
  9. Alles raus hier
  10. Mitbewohnerin
  11. Der kleine Spatz
  12. Aussterben

Gesamtspielzeit: 45:08 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Paul
2011-04-07 00:02:23 Uhr
Ein treffender Bericht. Man wird sicher nicht Fan seiner Musik, weil sie live anders&besser klingt als vom Tonträger. Ich mag seine eher schüchterne Art und das unterschwellige "ich lasse lieber meine Musik sprechen". Zumindest darin ist er dem Gisbert doch ähnlich.
Tanztheater
2011-04-06 17:54:09 Uhr
@Obrac: Hattest recht, das ist kien Berlinerisch sondern nur eine Art zu singen. Finds trotzdem gut.


Hier ist mein Bericht vom Konzert Sonntag:

http://www.auftouren.de/2011/04/06/moritz-kramer-in-hamburg/
nachfrage
2011-03-25 11:51:49 Uhr
ah - du hättest es wohl stramm-macho rechts?
fubu
2011-03-25 11:16:02 Uhr
Weibischer linker Mist.
hellworm
2011-03-25 10:59:26 Uhr
@Paul
Mag ja sein, dass er was vorzuweisen hat.
Das weist ihn aber nicht zwangsläufig als tollen Musiker, Sänger und v. a. Texter aus.
Aber im Vorprogramm von Gisbert zu Knyphausen wirkte er - auf mich - trotzdem so natürlich wie Daniela Katzenberger.

Aber Du hast recht, es ist Geschmacksache.
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