Joan As Police Woman - The deep field

PIAS / Rough Trade
VÖ: 21.01.2011
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Galaxy quest
Neulich wurde Joan Wasser alias Joan As Police Woman in einem Interview gefragt, was ihr Lieblingswort sei. Ihre Antwort fiel ebenso kurz wie überzeugt aus: "Yes." Dabei ist die Gute doch nun wirklich keine Ja-Sagerin, sondern eher eine Wahrsagerin, die kein Blatt vor den Mund nimmt und sich auch sonst nicht bedeckt hält. Eigentlich müsste jedes ihrer Alben so heißen wie ihr großartiges Debüt aus dem Jahr 2006 - "Real life". Auch ihre zehn neuen Stücke klingen wieder außerordentlich echt und lebensgroß und greifbar nah. Eine Platte wie aus unverfälschten Naturmaterialien, frisch getöpfert, geschnitzt, gegossen. Man weiß ja: Wasser ist eine der wichtigsten Ressourcen unsere Erde. Wasser ist Leben. Ganz am Anfang von "The deep field" hört man tosendes Meeresrauschen - als Teil der immer wieder eingestreuten Field Recordings, die teilweise in Äthiopien aufgenommen wurde, wohin die 40-jährige Amerikanerin mit Damon Albarns Africa Express reiste. Und wahrscheinlich ist es genau das, was Wasser auszeichnet: immer in Bewegung zu sein. Der Tanz der Moleküle.
Um den geht es auch auf "The deep field", dem mit Abstand euphorischsten und optimistischsten Album von Joan As Police Woman. An manchen Stellen könnte man sogar das Adjektiv "hedonistisch" ins Spiel bringen. Wasser und ihre exquisite Musikerschar, darunter auch wieder Drummer und Perkussionist Parker Kindred, ebenso wie Bläserkoryphäe und Gelegenheitsgitarrist Doug Wieselman (Anthony & The Johnsons), suhlen sich ausgiebig im Siebziger-Jahre-Soul, ohne sich dabei zu verkühlen. Cool klingt das trotzdem und natürlich auch ausgesprochen smooth und tight und groovy, um jetzt mal alle eigentlich verbotenen, aber in diesem Fall absolut zutreffenden Klischee-Anglizismen zum Thema in einem Satz unterzubringen. Wasser widmet sich vor allem ihrem traditionellen Wurlitzer-Sound, während die Rhythmusinstrumente ihre Hüftbeweglichkeit pflegen. Wenn man diese Musik sehen könnte, sie wäre garantiert erst ab 18.
Das Faszinierendste an "The deep field" ist vermutlich, dass Wasser ganz genau weiß, was sie will. Kein Ton, keine Nano-Nuance klingt nach Zufall und trotzdem alles nach Spontaneität; das Album bleibt stets in einem herrlich tiefenentspannten "Alles kann, nichts muss"-Modus. Na gut, manches muss doch: "I want you to fall in love with me" lautet die Zeile, die den Nachfolger von "To survive" eröffnet. Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben - und davon gibt es auf diesem Album gleich mehrere. Am treffendsten fasst es die wunderbare 60s-Philly-Soul-Nummer "Chemmie" zusammen: "Now my body's taking over / I've lost control / I blame my DNA." Darauf folgt mit "Forever and a year" die einzige echte Ballade dieser ereignisreichen 55 Minuten, die dann doch noch ein bisschen an die berührende Melancholie des Debüts erinnert. Ebenso ergreifend sind die neuen Songs aber trotzdem - was insbesondere Wassers Stimme zu verdanken ist, die zu allem bereit ist, was man normalerweise nicht unter diversen Ohren, sondern nur unter vier Augen macht.
Nur ein Auge hatte das Hubble-Teleskop, das geduldig einen scheinbar leeren Punkt innerhalb des Sternbilds Großer Bär beobachtete, bis der Wissenschaft bewusst wurde: Hinter diesem schwarzen Fleck, der zwischenzeitlich den Namen "The deep field" bekommen hatte, verbergen sich unzählige Galaxien. Das lässt sich prima auf den Mikrokosmos von Wassers drittem Studiowerk übertragen - einem schier unerschöpflichen Quell an Abenteuerlichkeiten, die es zu erforschen gilt. Es dauert vielleicht ein wenig, bis man den Opener "Nervous" komplett entwirrt hat, aber dass der Refrain die schönste, federleichteste und gleichzeitig spannendste Melodie der ganzen Platte offenbart, ist sofort klar. Was auch unverzüglich auffällt, sind das innerhalb von acht Minuten genüsslich ausufernde, hypnotische Quasi-Mantra "Flash", Joseph Arthurs Barry-White-Gedächtnis-Gastgesang in "Human condition" und die hervorragende erste Single "The magic", zu der Stammproduzent Bryce Goggin angeblich "fairy dust" beigesteuert hat. Im finalen "I was everyone" singt Wasser aus der Perspektive ihrer Namensgeberin Joan of Arc, "Girl, you are the chosen one / You make history." Tatsächlich schreibt sie mit diesem Album selbst Geschichte - und zwar ihre eigene.
Highlights
- Nervous
- The magic
- Flash
- Chemmie
Tracklist
- Nervous
- The magic
- The action man
- Flash
- Run for love
- Human condition
- Kiss the specifics
- Chemmie
- Forever and a year
- I was everyone
Gesamtspielzeit: 55:42 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Catweazle |
2011-11-21 17:17:06 Uhr
Habe sie gestern in Bielefeld im Forum gesehen - Video: http://www.youtube.com/watch?v=nI0eGKPNsa4 Großartig!! |
Third Eye Surfer |
2011-02-12 00:39:51 Uhr
Sehr tolles Teil. Highlight ist das epische Flash, ansonsten ist ist die Qualität durchgehend etwa auf demselben hohen Level. |
dr. note |
2011-02-03 16:24:57 Uhr
"Hat jemand schon das Album gehört? Wenn ja, wie isses?"Ja, ich. Gut isses. Sehr gut sogar. |
Claus as Firefighter |
2011-02-02 22:24:25 Uhr
Das ist aber echt mal ein Ohrwurm. Hat jemand schon das Album gehört? Wenn ja, wie isses? |
Leatherface |
2011-01-31 03:16:20 Uhr
Ich hatte schon immer Probleme sie zu schubladisieren. Das neue Album und dieses bekloppte Video sind mir nicht behilflich. Super ist es natürlich trotzdem. |
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Referenzen
Al Green; Stevie Wonder; Marvin Gaye; Cat Power; Lizz Wright; Nikka Costa; Curtis Mayfield; Isaac Hayes; Sly & The Family Stone; Joseph Arthur; Mayer Hawthorne; Sade; Prince; Bill Withers; Beth Orton; Feist; Rickie Lee Jones; Dusty Springfield; Toshi Reagon; Me'Shell Ndegéocello; India.Arie; Imani Coppola; Angela Davis; Ursula Rucker; Gladys Knight; Chaka Khan; Morcheeba; Erykah Badu; The Roots; Aloe Blacc; Jamie Lidell; Eli 'Paperboy' Reed; Cee-Lo Green; Gnarls Barkley; Joker's Daughter; Raphael Saadiq; Baby Dayliner; Natasha Bedingfield; Galliano; Incognito; Gabrielle; David Bowie; Black Beetle; Shudder To Think; PJ Harvey
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