Joel Alme - Waiting for the bells
Razzia / Soulfood
VÖ: 21.01.2011
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Na, klingelt's?
Joel Alme ist ein Hochstapler. Er türmt Streicher auf Streicher, Bläser auf Bläser und obenauf noch ein Schellenkränzchen, natürlich aus purem Gold. Und dann behaupten die herrlich verschwenderisch orchestrierten Stücke seines Zweitwerkes "Waiting for the bells" auch noch, dass der junge Schwede ein Enkel von Phil Spector, Burt Bacharach und Scott Walker sei. Egal wie absurd diese Stammbaumverästelung auch wirken mag, sie klingt dennoch plausibel. Und davon abgesehen: So hinreißend wie Alme seine Herzschmerzdramen inszeniert, glaubt man ihm einfach alles. Der Klischeedetektor schlägt zwar kurz aus, wenn der Protagonist ganz in Sechziger-Jahre-Schmachtfetzen-Manier seine Lieder an "darling" und "babe" adressiert, aber dass er beim Singen so klingt, als würde er sein gesamtes Schicksal in die Hände der Damenwelt legen und sein letztes Hemd für einen ersten Schritt geben - das ist einfach zu schön, um nicht wahrhaftig zu sein.
Schon die ersten Sekunden des Openers "When old love keeps you waiting" geben sich mit wildromantischem Streicherarrangement und Pathos im Breitwand-Format keinerlei Mühe, ihre Epik zu verstecken. Erzählt wird die fiese, alte Geschichte: Er liebt sie, sie liebt aber eigentlich einen anderen, der sie allerdings nicht liebt, weswegen sie dann doch bei dem, der sie liebt, zwischenparkt. In Pop-Poesie übersetzt heißt das: "Hand in hand you're mine / But you always leave a finger waiting." Welch ein Drama! Alme weiß es meisterlich in Musik zu gießen. Weil Schweden bekanntlich eine Menge für seine Künstler übrig hat, wurde dem 30-jährigen Göteborger mit staatlicher Förderung ermöglicht, seine Kompositionen angemessen einzuspielen. Mit einem kleinen, aber außerordentlich brillanten Orchester und einem Produzenten, der die Sache mit dem Sechziger-Jahre-Sound perfekt drauf hat: Mattias Glavå (Jens Lekman, The Soundtrack Of Our Lives, Dungen).
Was man über die elf Stücke auf "Waiting for the bells" wissen muss, ist vor allem, dass es nicht bloß Stücke sind. Sondern Hymnen voller Hingabe und Historienbewusstsein. Nichts, aber auch wirklich gar nichts, klingt hier wie aus dem 21. Jahrhundert. Und weil die Songs sich nicht nur in der Breite, sondern auch in der Länge an ihren Vorbildern orientieren, bringt es das Album auf eine Gesamtspielzeit von kaum mehr als einer halben Stunde. "You will only get it once" beispielsweise dauert keine zwei Minuten, schafft es jedoch dank schwärmerischer Nostalgie, lange im Ohr zu bleiben. "The spell of brothers" und "On this night of loving arms" trauen sich, gleich zu Beginn einem Saxophon die Melodie zu überlassen, "You remember the good times, but the good times don't remember you" hat ein besonders entzückendes Streicherarrangement parat, und spätestens bei "If you got somebody waiting" fragt man sich, ob es denn wirklich sein kann, dass Alme diese ganzen Songs selbst geschrieben hat. Ob nun das wunderbar getragene "The way we used to beg" oder der von einem Piano lieblich umsäumte Titeltrack "Waiting for the bells" - sie klingen allesamt wie Klassiker von früher. Aber man weiß ja: Nichts hat so viel Zukunft wie die Vergangenheit, Darling.
Highlights
- When old love keeps you waiting
- If you got somebody waiting
- The way we used to beg
- Waiting for the bells
Tracklist
- When old love keeps you waiting
- You will only get it once
- The spell of brothers
- If you got somebody waiting
- The way we used to beg
- No class
- No luck to give
- Waiting for the bells
- On this night of loving arms
- You remember the good times, but the good times don't remember you
- Spanish moss
Gesamtspielzeit: 32:17 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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captain kidd |
2012-02-18 11:56:39 Uhr
den sollten eigentlich noch viel mehr leute hören. |
captain kidd |
2011-03-12 10:25:45 Uhr
zeitloses sixties-album mit schönen streicher- und bläserarrangements. die stimme so euphorisch, arrogant und vorne wie beim 65er dylan.. dazu noch geile slogans wie "You remember the good times, but the good times don't remember you" - also ich mag es im moment sehr sehr sehr. macht vielleicht sogar ein wenig glücklich. |
noplace |
2010-05-07 17:41:52 Uhr
für freunde von jens lekman, ein weiterer schwede, der auszog, die welt mit seinen wunderbaren songs zu betören.bei mir hat er es geschafft. sein zweites album "waiting for the bells" erschien in diesem frühjahr und knüpft nahtlos an den wunderbaren erstling "a master of ceremonies" an. die songs auf myspace sind momentan noch größtenteils vom debütalbum, verzaubern aber ungemein. |
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Referenzen
Jens Lekman; Burt Bacharach; Scott Walker; Phil Spector; Richard Hawley; Moneybrother; Ed Harcourt; Van Morrison; Camera Obscura; Duke Special; Rufus Wainwright; The Divine Comedy; The Book Of Daniel; Nicolai Dunger; Get Well Soon; The Leisure Society; Leonard Cohen; Adam Green; Mercury Rev; Edson; Benjamin Biolay; Guillemots; Patrick Watson; The Czars; The Veils; Cherry Ghost; Clare & The Reasons; Van Dyke Parks; Ron Sexsmith; Lambchop; Bob Dylan; Robert Francis; Teitur; El Perro Del Mar; Jarvis Cocker; Lee Hazlewood
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- Joel Alme - Waiting for the bells (3 Beiträge / Letzter am 18.02.2012 - 11:56 Uhr)