Jim O'Rourke - Insignificance
![Jim O'Rourke- Insignificance](cover/orourke.jpg)
Drag City / Domino / Zomba
VÖ: 19.11.2001
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
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Gute Nacht, Jim-Boy
Manchmal wünscht man sich, man hätte irgendwann einen Volkshochschulkurs in Hausfrauenpsychologie belegt. Was ist das beispielsweise für ein Mensch, dessen Plattencover alternierend Plüschfrösche und mit Tintenfischen kopulierende Comicsäuglinge mit Oberlippenbärten zieren? Glücklicherweise kann man sich die hemdsärmelige Ferndiagnose meist sparen und die Erklärung sonstwie zusammenreimen. Hier lautet sie: Jim O'Rourke besitzt einen gewöhnungsbedürftigen Humor und ist mit vielseitigen Talenten gesegnet. Für letzteres gibt es viele Indizien: O'Rourke fiel in der Vergangenheit unter anderem als vielgelobter Indie-Produzent (Smogs "Knock knock" sei hier genannt) auf, als Highbrow-Powerbookpunk (beim hippen Wiener Label Mego), als Aushängeschild eines Chicago-Phänomens namens Post Rock (siehe Gastr del Sol), als gefragtes Improvisationstalent (mit Turntablism-Vordenker Christian Marclay) sowie als frischer Wind bei eingerosteten Experimentallegenden (er malträtiert seit anderthalb Jahren als Sonic-Youth-Mitglied den Baß).
Zurzeit bekommen aufgeschlossene Liebhaber des schiefen Humors und der musikalischen Vielfältigkeit eine frische, bisher unbekannte und durchaus überraschende Persönlichkeitsfacette O'Rourkes präsentiert. "Insignificance" sind sieben erdige Tracks destillierten Wurzelrocks mit Südstaatenallüren, wie man ihn eigentlich nur alten Männern zutraut, die ein unverständliches Prärie-Idiom pflegen und Yankees leidenschaftlichst verabscheuen. Wie konnte das passieren? Eigentlich wirkt das Konzept schon auf dem Skizzenblock unvorstellbar unhandlich, als könnte es kaum ohne ein blaues Auge ausgehen. Doch Tausendsassa O'Rourke legt es nicht auf eine dumpfe Parodiensammlung oder übersteigertes Ikonenherumreichen an, sondern spielt einen stellenweise schwärmerischen, durchaus eigenständigen, entschlackten und auf Wesentlichkeiten reduzierten Rock. Zurück bleiben die Akustikklampfe im Anschlag, der Gesang mit viel Selbstvertrauen, die Melodien mit viel bodenständigem Charme, spärliches Allerlei und ein schleppendes Lagerfeuerschlagzeug, die allesamt das unprätentiöse Songwriting bemerkenswert glaubwürdig komplettieren.
Selbstverständlich darf auch der erwähnte Humor nicht zu kurz kommen. O'Rourke ist aber offensichtlich bemüht, die wohlwollend-lockere Stimmung innerhalb des Albums nicht durch allzu lärmige Garstigkeiten zu zerstören. Ungewohnt zurückhaltend werden Subtilitäten eingeflochten, die erst bei konzentrierteren Beschäftigung mit "Insignificance" auffallen. Genaues Hinhören sei an dieser Stelle aber auf jeden Fall empfohlen: Neben der einen oder anderen gut sitzenden Pointe ist das Album voll von leichtem musikalischen Schlackern und feinen Zappelbewegungen, die O'Rourkes Ausflug in die unerwartete Stilrichtung erst so richtig lohnenswert machen. Vielleicht muß man als nicht immer toleranter Freund des Pops erst über den eigenen Schatten springen, damit man die auf den ersten Blick nicht sehr aufregende Ausgangslage wirklich zu schätzen weiß. Doch wie heißt es so schön: Wer wagt, gewinnt. Und Jim O'Rourke hat offensichtlich wieder mal gewonnen.
Highlights
- Insignificance
- Memory lame
- Get a room
Tracklist
- All downhill from here
- Insignificance
- Therefore, I am
- Memory lame
- Good times
- Get a room
- Life goes off
Gesamtspielzeit: 38:20 min.
Referenzen
Papa M; Bonnie 'Prince' Billy; Two Dollar Guitar; Smog; Stephen Malkmus; Lynyrd Skynyrd; Creedence Clearwater Revival; Crazy Horse; Tom Petty; Ryan Adams; Ben Folds; Tortoise; The Sea And Cake; Gastr Del Sol; June Of 44; Dirty Three; Derek Bailey
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