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Jónsi - Go live

Jónsi- Go live

jonsi.com / EMI
VÖ: 26.11.2010

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Wiegen Lieder?

Wenn Musiker gleich nach ihrem Albumdebüt ein Livealbum raushauen, ist Skepsis dringend angeraten. Das gerade bekannt gewordene Songmaterial wird oft Note für Note nachgestellt, und die Fans halten jedes zusätzliche Riff für die Ausgeburt an Kreativität. Obwohl sich manchmal der Eindruck aufdrängt, selbst der Applaus wäre ein nachträglich verbesserter Overdub. Es ist eben nicht jeder Musiker auch ein Künstler.

Wenn Jónsi gleich nach seinem Solodebüt ein Livealbum raushaut, ist Aufmerksamkeit dringend angeraten. Der stille Frontmann von Sigur Rós hatte schließlich mit "Go" ein kunterbuntes Sammelsurium von Mollgepolter und Wiegenliedern vorgelegt, das selbst dem Klapperstorch Gänsehaut verpasste. Und da schon die Konzerte von Sigur Rós stets sakrale Anmut verströmen, kann Jónsi auf der Bühne ja eigentlich auch nur etwas Besonderes darbieten. Das schlichte CD/DVD-Paket "Go live" aus Brighton und Brüssel kann natürlich kein Ersatz für das die Sinne massierende Erlebnis sein. Doch es bemüht sich nach Kräften.

Dass dieses "Go live" dann auch noch fast doppelt so lang ist wie "Go", liegt nicht nur an manch sehnsuchtsvoller Überlänge. Mit "Stars in still water", "Icicle sleeve", "Saint naive", "New piano song" und "Sticks and stones" verbreiten gleich fünf neue Songs glitzerndes Wohlgefühl. Andächtige Stille ist im Saal, wenn die ersten Harmonien weich zerfließen. Man hört keine Stecknadel fallen, weil Jónsi haucht und barmt, als würde er allen Kummer der Welt auf seine schmalen Schultern nehmen. In "Icicle sleeve" schlägt ein gebrochenes Herz, und alles wird noch stiller als ohnehin schon. Jónsi streichelt die zerbrechliche Melodie mit dem Geigenbogen, und dann wehrt sich "Kolniður" gegen das Unbehagen. "Tornado" mag zwar nur der Sturm im Wasserglas sein, aber die Gewühle wallen und tosen, als wäre Eyjafjallajökull Mitglied der vortrefflichen Liveband.

Der bei "Go" diagnostizierte Überschwang nimmt sich seine Zeit, weil er andächtig dem zelebrierten Kammerspiel lauscht. Wenn dann nach über einer halben Stunde das hektische Gurren von "Go do" loslegt, ist der Jubel umso größer. Man fühlt förmlich, wie das Publikum aufspringt und mithüpft, und will es ihm gleichtun. "Boy lilikoi" und "Animal anaesthetic" nehmen den Schwung nicht nur mit, sondern reißen ihn an sich. Prompt ist die ätherische Stimmung verweht, und die Musik wird körperlich.

Selbst als "New piano song" wieder vorwiegend aus stillem Hall besteht, ist kräftig Leben in der Bude. Das faszinierende Kuddelmuddel aus Laptop-Zwitschern, flirrenden Saiten und Koboldgesängen mischt munter seine Chromosomen, als wären sie Spielkarten. Die Brownsche Teilchenbewegung ist nicht mal zu stoppen, wenn Jónsis Stimme in "Around us" von einem stotternden Sampler malträtiert wird. So wuchert Jónsi am Ende mit dem erhebenden "Grow till tall" einfach über alle Hemmnisse und Widerstände hinweg. Mit "Go live" wird Biologie zum Klang. In Island ist eben alles möglich.

(Oliver Ding)

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Highlights

  • Icicle sleeve
  • Kolniður
  • Go do
  • Sticks and stones
  • Grow till tall

Tracklist

  • CD 1
    1. Stars in still water
    2. Hengilás
    3. Icicle sleeves
    4. Kolniður
    5. Tornado
    6. Sinking friendships
    7. Saint naive
    8. Go do
    9. Boy lilikoi
    10. Animal arithmetic
    11. New piano song
    12. Around us
    13. Sticks and stones
    14. Grow till tall
  • DVD 1
    1. Hengilás
    2. Icicle sleeves
    3. Kolniður
    4. Tornado
    5. Sinking friendships
    6. Go do
    7. Boy lilikoi
    8. New piano song
    9. Around us
    10. Volume pedal song
    11. Grow till tall

Gesamtspielzeit: 78:03 min.

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