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The Decemberists - The king is dead

The Decemberists- The king is dead

Rough Trade / Beggars / Indigo
VÖ: 14.01.2011

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Einen Prog kürzer

Da hatten uns der grundsympathische Colin Meloy und seine nicht minder sympathischen Mitstreiter ja einiges an Konzept eingebrockt mit den letzten beiden Alben. Große Ambitionen, noch größere Geschichten, mehrere Songakte verwoben mit einer einzigen, alles überragenden Idee. Ja, mit etwas Phantasie konnte man den Decemberists zu "The hazards of love" und "The crane wife" auch das Wörtchen Prog unterschieben. Andere würden es Größenwahn nennen. Und wie es nun einmal damit so ist, vernebelt Megalomanie hin und wieder den Blick auf das Wesentliche: den Song. Auch zum Titel ihres sechsten Albums, "The king is dead", lässt sich bei den Decemberists zunächst ordentlich Höhenflug vermuten. Aber - um mit Mel Brooks' "Robin Hood" zu fragen - welcher König sollte das wohl sein? König Fußball? König Pilsener? Nein, viel wahrscheinlicher ist, dass Meloy den unerschütterlichen König Prog meint, der kurzerhand gestürzt und einen Kopf kürzer gemacht wird.

Denn anstatt das Konstrukt "The hazards of love" in seiner überladenen Mächtigkeit weiterzuspinnen, besinnen sich die Decemberists auf das, was "Picaresque" zu ihrem stärksten Album bisher gemacht hat. Nicht die Platte als solche, sondern ihre einzelnen Stücke stehen im Vordergrund. "The king is dead" geht sogar noch einen Schritt weiter und entledigt sich aller schrulligen Ideen, jeglicher querköpfigen Einfälle und von sämtlichem Gewicht. Genau damit besitzt dieses Album aber auch das Potential, um vor allem jene zu enttäuschen, die es nicht ertragen werden, dass "The king is dead" ein reines, ja altmodisches Country-Folk-Album geworden ist und mit Indie im Grunde nicht mehr so viel am Hut hat. Was diese Menschen in ihrem Anspruchseifer übersehen, ist aber, dass diese Platte die herzlichste, wärmste und vielleicht sogar ehrlichste der Decemberists überhaupt geworden ist. Wenn es so etwas wie Wahrhaftigkeit bei dieser vagabundierenden Theatertruppe tatsächlich gibt, dann findet man sie hier.

Colin Meloy hat einfach keine Chance mehr, sich und seine Ideen hinter überbordenden Songstrukturen zu verstecken. Die Songs liegen fast nackt und ungeschützt vor dem Hörer wie das Kaninchen vor der Schlange, jeden Augenblick der Gefahr ausgesetzt, zerrissen zu werden. Und diese Wendung um 180 Grad ist das Hervorragende an "The king is dead". Mundharmonika, Akustikgitarre, gefühlvolles und manchmal auch stampfendes Schlagzeug sowie grandiose Melodien verzaubern, wenn man sich darauf einlassen möchte. Und die kleine, aber feine Gästeliste hat es auch in sich. Zur ersten Single "Down by the water" gesellen sich kein Geringerer als R.E.M.s Peter Buck an der zwölfsaitigen Gitarre sowie die Singer/Songwriterin Gillian Welch, die Meloys Gegenpart am Mikrofon gibt. "Down by the water" klingt dann auch wie ein dezenter, sehr gelungener Knicks vor Bucks Hausband.

"The king is dead" ist in seiner Gesamtheit eine Verbeugung vor dem Wohlklang und der Melodie. Die Decemberists spielen sich zwischen dem Saaloonschunkler "All arise!" und der fast schon obligatorischen Piratenromantik von "Rox in the box", zwischen Quetschkommode, Violine und Pedal Steel Guitar warm. Um schließlich doch immer wieder dort zu landen, wo der Fünfer aus Portland sich merklich am wohlsten fühlt. Bei ihren wunderschönen Oden an die Liebe, die auf "The king is dead" erstmals mit einem behutsamen Understatement fast ganz ohne Pathos und Brimborium auskommen. Die unaufdringliche Leichtigkeit, mit der die zehn Stücke über die Bühne gehen, macht das Album zum bisher besten seit "Picaresque". Lang lebe König Country!

(Kai Wehmeier)

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Highlights

  • Don't carry it all
  • All arise!
  • Down by the water

Tracklist

  1. Don't carry it all
  2. Calamity song
  3. Rise to me
  4. Rox to the box
  5. January hymn
  6. Down by the water
  7. All arise!
  8. June hymn
  9. This is why we fight
  10. Dear Avery

Gesamtspielzeit: 40:51 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

seno

Postings: 3515

Registriert seit 10.06.2013

2015-02-05 09:31:57 Uhr
Jetzt im Windschatten des aktuellen Albums mal wieder öfter gehört und ich muss sagen, ich liebe dieses Album immer noch. Diese Melodien, diese Texte, diese teilweise Ähnlichkeit mit alten R.E.M.
Außer "Rox in the box" für mich kein schwacher Song auf dem Album. Und mit "This is why we fight" ist auch noch ein absolutes Meisterstück vertreten.

Allerdings muss ich mir immer noch alle Alben vor "The Crane Wife" besorgen. Das habe ich seit meinem letzten Besuch in diesem Thread vor vier Jahren noch nicht geschafft. Aber ich arbeite dran.:)
Burn!
2011-10-22 13:09:01 Uhr
Motherfucker, das reinste Gangsta Battle hier.
Klaas
2011-10-22 12:56:43 Uhr
Donnerwetter! Da hast du aber mal auf die Kacke gehauen. Aktualisierst du jetzt mit klopfendem Herzchen ganze Zeit den Thread und hoffst auf Zustimmung?

Klar schwächelt The King is Dead (hat aber nach wie vor Songs die man ruhigen Gewissens auf eine Best Of packen könnte) im Gegensatz zu Picaresque, Crane Wife und Castaways/Cutouts, aber so ist das nunmal - wenn man einmal 5 Sterne hatte will man keine 4 mehr.

Viel Spaß weiterhin beim "bitterböse Kommentare zum Fremdschämen in zugemüllten Foren" posten.
Connard
2011-10-22 12:42:27 Uhr
Wow, supidupi, genau das Richtige für die Rolling Stone lesenden biederen Familienväter, die bitterböse Leserbriefe schreiben, wenn einmal NICHT Dylan oder aber die Stones auf dem Cover sind.

Und diese Band hat mal ein Album wie "The Crane Wife" rausgehauen? Was ist mit denen passiert? Ne Überdosis Valium? Zu viele schlechte R.E.M.-B-Seiten gehört? Kein Interesse mehr an gutem Klang?
rainy april day
2011-10-21 20:18:39 Uhr
Hach, was für eine tolle Band. This is why we fight...
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