Bryan Adams - Bare bones
A&M / Universal
VÖ: 29.10.2010
Unsere Bewertung: 5/10
Eure Ø-Bewertung: 4/10
Im Schunkelwinkel
Die Vita von Bryan Adams wirft überraschend viele Fragen auf. Wie schafft man es, sich vom aufstrebenden Hardrock-Gitarristen zum Balladen-Harlekin ab-, dabei aber einen solchen Gewinn zu erwirtschaften? Ist der eiserne Wille, aus nahezu jedem Refrain einen unfassbar hölzernen Songtitel herauszuschnitzen, eher verachtens- oder bewundernswert? Darf man den Pathos-Schinken-Soundtrack wirklich derart folgenlos als neuen Markt vereinnahmen, nachdem selbst die Radiowellen manch Schmonzette zu viel gehört haben? Um dann auch noch die Gitarre nicht weniger erfolgreich mit dem Fotoapparat zu tauschen? Und vor allem: Wieso wird man nach all dem trotzdem eher als Schildkröte statt als Chamäleon wahrgenommen?
Alles kein Problem für Bryan "Schmidtchen Schleicher" Adams, der mit seinem neuen Album die alten Hits zu Akustikgitarre und Stimme elastisch macht. Trotzdem hätte man ihm selbst etwas derart Erwartbares wie "Bare bones" als allerletztem zugetraut. Aufgezeichnet in verschiedenen Konzertsälen der USA sowie in Oslo, vereint das Album verschmähte Liebe mit ungebrochener Zuneigung: Die Amerikaner vergöttern ihn längst nicht mehr, die Europäer hingegen bleiben bei der Stange. Mit "Bare bones" - so steht zu vermuten - will Adams vor allem ersteren beweisen, dass immer noch mehr aus ihm herauszuholen ist als der ewige Kastagnetten-Kasper. Nun: Immerhin pochen da noch ein Herz und ein Wille.
Schützenhilfe leistet lediglich das Pianospiel Gary Breits. Der sieht nicht nur aus wie Adams' Zwillingsbruder, auch seine Klavierakkorde gehen mit dessen Gitarre absolut d'accord. Weil nicht nur die Instrumentierung, sondern auch die Arrangements möglichst klein gehalten werden, rückt Adams Stimme zu "The way you make me feel", "Straight from the heart" oder gar bei "(Everything I do) I do it for you" angenehm in den Vordergrund. Für den Rest an fehlender Stimmung sorgt das Publikum. Das klatscht und singt tapfer mit, bricht in periodischen Jubel aus und darf die Sehnscheidenentzündung vom ewigen Schunkelwinkel der Feuerzeughand bei den erfreulich druckvollen "Only thing that looks good on me is you", "Cuts like a knife" und, natürlich, "Summer of 69" kurieren.
Schenkelklopfen hingegen sähe hier recht seltsam aus und empfiehlt sich bei der Art Röhrenjeans, die Adams nach wie vor bevorzugt, ohnehin nicht wirklich. So heiß, wie das am Oberschenkel brennt, werden die Höschen der Zuhörerinnen längst nicht mehr - weshalb sich auch die stimmliche Parodie von Cocker bis Dylan, die Adams durch "Please forgive me" schleudert, eher bemüht durchs Beinkleid presst. Spätestens, wenn das Auditorium trotzdem hemmungslos am Losgackern ist, wird es gut alteuropäisch wieder einmal Zeit für die Frage, was zur Hölle eigentlich mit den Amis los ist? Und die sorgt dann doch noch für ein leichtes Lächeln.
Zumal auch die Geste an sich gar nicht uncharmant ist, da sich Adams mit ihr ebenso selbst auf die Schippe nimmt. Selbstverständlich weiß er, stimmlich wie musikalisch, woher er kommt und wem er was zu verdanken hat. Und vielleicht auch, wie abgegriffen und bieder im Vergleich dazu diese ganze Veranstaltung ist. Eingedenk dessen, entwickelt "Bare bones" tatsächlich eine Kraft, die in Adams Oevre nicht nur verschüttet, sondern gänzlich pulverisiert schien. Der Gitarrist, der Sänger, der Songwriter, ja, gar die erdige Version des Entertainers kommen hier wieder zum Tragen. So sehr, dass sich Adams zukünftig beinahe nur noch an sich selbst verheben kann. Doch wer Adams kennt, der muss wohl sagen: Auch das wird leider gar kein Problem für ihn sein.
Highlights
- Cuts like a knife
- Summer of 69
- The way you make me feel
- Only thing that looks good on me is you
Tracklist
- You've been a friend to me
- Here I am
- I'm ready
- Let's make a night to remember
- It ain't a party (if you can't come 'round)
- (Everything I do) I do it for you
- Cuts like a knife
- Please forgive me
- Summer of 69
- Walk on by
- Cloud number nine
- It's only love
- Heaven
- The right place
- The way you make me feel
- Only thing that looks good on me is you
- You're still beautiful to me
- Straight from the heart
- I still miss you... a little bit
- All for love
Gesamtspielzeit: 74:03 min.
Referenzen
John Mellencamp; Bruce Springsteen; Dire Straits; Tom Petty; Crosby, Stills & Nash; John Hiatt; Donovan; John Fogerty; Pat Benatar; Bob Dylan; Neil Young; Johnny Cash; Little Big Town; Sandi Thom; Sheryl Crow; Joe Cocker; Elvis Costello; Paul Westerberg; Counting Crows; Ryan Adams; T-Bone Burnett; Giant Sand; Dirtmusic; Dr. Dog; Wilco; Joe Henry; Gram Parsons; Hank Williams; Solomon Burke; Jack Logan; Van Morrison
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