The Walkmen - Lisbon

Cooperative / Universal
VÖ: 08.10.2010
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Zeit der Besinnung
Jahr für Jahr dieselbe Frage. Im August streift der Blick sirritiert durch die Supermarktregale, über Litfaßsäulen und Dekoläden. Dort ist nämlich bei strahlendem Sonnenschein wenn nicht der Winter, so doch zumindest schon der Spätherbst eingekehrt. Das Laub schimmert in Rot- und Gelbtönen, die Socken sind über dem Kamin platziert. Für manche könnte eben das ganze Jahr aus Festtagen bestehen. Mit "Lisbon" beweisen The Walkmen, dass sie das ähnlich sehen. Oder schießt irgendwem nicht das Wort "Besinnlichkeit" durch den Kopf, wenn ein Song wie "Stranded" die adventliche Kirchenkapelle aus Kalkmühl plündert und auch noch stolz darauf ist? Doch da ist der Truthahn längst gegessen. Alles taumelt zwischen den Schneeflocken, die sich wie eine wärmende Decke um die Welt legen. Alles erstarrt vor Kälte, und nur Hamilton Leithausers Stimme entfacht das Flämmchen, das "Lisbon" den Weg leuchtet.
Dort, wo andere einen Seelenstriptease hinlegen, bleibt bei The Walkmen auch auf dem fünften Album noch dieses Rätselhafte, das schon seine Vorgänger so unberechenbar machte. "Woe is me" stößt ab und zieht an, lässt sich von seiner Melodie tragen und pinkelt ihr dann doch ans Bein. Dabei tanzt auf "Lisbon" vor allem das Drumming aus der Reihe und will sich der allgemeinen Befindlichkeit so gar nicht anpassen. Trotzig donnern die Trommelfelle, kein Klackern, das nicht noch irgendwo untergebracht werden könnte. Das großartige "All my great designs" setzt vielstimmig ein und verabschiedet sich viel zu leise: Alle anderen haben den Aufstand längst beiseitegeschoben. "Black is the color of your eyes, Spanish is the language of your tongue", säuselt "Blue as your blood" vor seinem Uhrwerk-Takt. "Lisbon" ist eine Kapitulation vor dem Inneren, vor den Streichern, vor der Romantik, die sich unauffällig durch diese Dreiviertelstunde schleicht. Es sind die fragilen Wege, die den Zugang zu dieser Platte erschweren, denn jegliche Außengeräusche torpedieren die Stimmung. Es bleibt Leithausers ungewöhnliche Stimme, die sich daran reibt, winselt und fleht.
Einen Überhit wie "The rat" hat "Lisbon" ebensowenig zu bieten wie große Experimente. Die Gitarren legen sich breit unter die Melodien, der Zorn gefriert zu Eis. Das stellt bereits zu Beginn das bezaubernde "Juveniles" klar, dessen Wehklagen wie ein geprügelter Hund durch die Melodie streift. Mit "I shovel the snow" liefern The Walkmen schließlich die beste Selbstbeschreibung, denn sie schieben den Frost vor sich her und wissen dabei genau, an welcher Stelle die Schmelze einsetzen muss, um wie in "Torch song" Akzente zu setzen. Der Schmutz der Gefühle fügt sich in diese erstarrte Platte ein, die sich so gar nicht in Bewegung versetzen will, sondern abwartet und das Nichts zum Klingen bringt. Keine stille, keine heilige Nacht.
Highlights
- All my great designs
- Woe is me
- Lisbon
Tracklist
- Juveniles
- Angela surf city
- Follow the leader
- Blue as your blood
- Stranded
- Victory
- All my great designs
- Woe is me
- Torch song
- While I shovel the snow
- Lisbon
Gesamtspielzeit: 44:40 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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saihttam |
2012-04-05 12:34:04 Uhr
Dank an Armin für die umbennenung des Threadtitels :) |
saihttam |
2012-03-31 12:29:12 Uhr
das weiß ich. gerade deswegen, damit es zu keinen verwechslungen mit dem wirklichen neuen album "Heaven" gibt, hab ich das ja geschrieben. |
sugar ray robinson |
2012-03-29 22:49:44 Uhr
eigentlich könnte der threadtitel ja schonmal mit dem richtigen albumnamen versehen werdenJa schon, aber hier gehts um das 2010er Album Lisbon |
saihttam |
2012-03-29 18:28:59 Uhr
ich freu mich!nebenbei, eigentlich könnte der threadtitel ja schonmal mit dem richtigen albumnamen versehen werden :/ |
look out the window |
2012-03-29 17:26:03 Uhr
05.06.2012 kommt mit 'Heaven' der Nachfolger von 'Lisbon'...it's gonna be a good year! |
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Referenzen
Tapes 'N Tapes; Cold War Kids; Clap Your Hands Say Yeah; Modest Mouse; Sunset Rubdown; Hallelujah The Hills; The French Kicks; The Ponys; Low; The National; Titus Andronicus; Here We Go Magic; Spoon; Women; Menomena; Department Of Eagles; Deerhunter; Frog Eyes; Wilco; Arcade Fire; My Morning Jacket; Destroyer; Bob Dylan; The Black Heart Procession; British Sea Power; White Rabbits; Guided By Voices; Pavement; Islands; Sonic Youth; Yo La Tengo
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