Deerhunter - Halcyon digest

4AD / Beggars / Indigo
VÖ: 24.09.2010
Unsere Bewertung: 9/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Brüder im Geiste
Die schönsten Plätze der Erde sind dort, wo sich Traum und Realität, Ekstase und intellektuelle Herausforderung treffen. Wo Nebelschwaden betrunken machen und das Zittern in den Händen keinen Grund zur Sorge bedeutet, sondern Ausdruck ist von Aufregung und Freude. Ein solcher Platz ist "Halcyon digest", das vierte und bislang beste Deerhunter-Album. Der wache Geist kann nicht anders, er verlangt nach diesen Kompositionen, denn diese Dreiviertelstunde Musik ist das vielleicht berauschendste Fest des Jahres. "Halcyon digest" ist ein weiterer Beweis für das Genie eines Bradford Cox: Wer jemals erfahren wollte, wie ein perfektes Amalgam aus Shoegaze, Noise, Pop und Rock klingt, sollte sich hier herzlich eingeladen fühlen.
Jeder der elf Songs offenbart seinen eigenen Charakter, bekommt Platz zur Entfaltung und breitet sich wie ein gräulich-schimmernder, samtener Schleier über den Hörer aus. Das noisig-verspielte, traumwandlerische "Earthquake" begrüßt einen mit einer zärtlichen Behutsamkeit, als gelte es Fabergé-Eier zu transportieren: Die Gitarre fiept ein bisschen, während Cox beinahe flüstert. Ein wunderschönes Statement, das bedächtig dieses Album eröffnet. Die Vorab-Single "Revival" frohlockt mit schunkelndem 60er-Pop und Fuzz-Gitarren und braucht keine zweieinhalb Minuten, um alles, was dieses Jahr unter den Bannern Surf- oder Garagenrock firmierte, für null und nichtig zu erklären. So kann - nein - so muss vertonte Euphorie klingen. Im überlebensgroßen "Sailing" wird dem Wind ein Ständchen gesungen, der Rhythmus ist Trumpf, dieser Song ist König.
"Desire lines", eines der Herzstücke der LP, bedient sich zunächst bei Arcade Fires "Rebellion (Lies)", um dann in einem Refrain aufzugehen, der die Sonne hinter den wolkenverhangenen Bergen hervorlockt. Bezeichnenderweise endet der Song in einem dreiminütigem Gitarren-Mantra. Es sind die Kratzer an der glänzenden Oberfläche, die ihre kathartische Wirkung entfalten und Deerhunter ins Pantheon der fatalistisch genialen Rockbands hieven. Das harmonisch schlingernde "Basement scene" schwoft bedächtig über das Parkett und wird vom stoischen "Helicopter" abgelöst. Eine kleine Verbeugung vor Animal Collective, den Brüdern im Geiste, die mit "Merriweather post pavilion" eine ähnlich fabelhafte Kreuzfahrt durch das Unterbewusste unternommen haben.
Der vorletzte Song "Coronado" beginnt mit einem verletzlichen Piano, bevor Cox mit einer nahezu rauchigen Stimme das Mikrofon beschwört. Ein schräges Jazz-Saxophon säumt den Weg und wird eingesammelt. Den Abschluss von "Halcyon digest" bildet das verspielte "He would have laughed". He, das ist der verstorbene Jay Reatard, ein Freund der Gruppe. Ein siebeneinhalbminütiger Abschied. Der posthume Ritterschlag: Auf einem der sensationellsten Alben 2010 einen Tribut-Song zu bekommen. Jedem Song seine Einzigartigkeit - ein Versprechen, mit dem Deerhunter wohl ihre Songs gefügig machen. Und nicht nur die. Diese Droge ist der schönste Platz der Welt.
Highlights
- Earthquake
- Sailing
- Desire lines
- Basement scene
- Helicopter
Tracklist
- Earthquake
- Don't cry
- Revival
- Sailing
- Memory boy
- Desire lines
- Basement scene
- Helicopter
- Fountain stairs
- Coronado
- He would have laughed
Gesamtspielzeit: 45:50 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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The MACHINA of God User und Moderator Postings: 34624 Registriert seit 07.06.2013 |
2023-01-23 22:19:01 Uhr
Ja, gibt Parallelen. Mag die beiden Songs aber sogar mehr als den Pixies-Track. |
Deaf Postings: 3206 Registriert seit 14.06.2013 |
2023-01-23 15:28:08 Uhr
Ja, beim Ende von "Warte auf mich auf dem Grund des Swimmingpools" von Tocotronic denke ich auch immer an diese beiden Songs. |
nörtz User und News-Scout Postings: 15799 Registriert seit 13.06.2013 |
2023-01-23 15:19:28 Uhr
Hört ihr Ähnlichkeiten zu Desire Lines? |
AliBlaBla Postings: 7997 Registriert seit 28.06.2020 |
2022-05-11 08:55:48 Uhr
Ja, das ist eine goldene Scheibe, die sich nich abgenutzt, finde ich auch. Wie gerne würde ich sie mal live sehen! |
Glynis Postings: 199 Registriert seit 13.02.2022 |
2022-05-11 06:38:06 Uhr
Top 3 album der letzten 20 jahre |
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Referenzen
Atlas Sound; Lotus Plaza; No Age; Women; Panda Bear; Liars; Wavves; Animal Collective; Abe Vigoda; Crystal Stilts; My Bloody Valentine; Grizzly Bear; Vivian Girls; Real Estate; Pavement; HEALTH; Times New Viking; Kurt Vile; Beach House; Here We Go Magic; High Places; Bear In Heaven; Wild Nothing; Gang Gang Dance; Beach Fossils; Washed Out; Woods; Julian Lynch; Jay Reatard; Tame Impala; Caribou; Department Of Eagles; Ariel Pink's Haunted Graffiti; Toro Y Moi; Girls; A Place To Bury Strangers; Fuck Buttons; Autolux; Cymbals Eat Guitars; Japandroids; Dirty Projectors; Broken Social Scene; Sonic Youth; Neon Indian; Galaxie 500; Yo La Tengo; Deerhoof; Dan Deacon; Wolf Parade; The Pains Of Being Pure At Heart; Twin Sister; Spacemen 3; Menomena; The Flaming Lips; Holy Fuck; Sunset Rubdown; Akron/Family; The Depreciation Guild; The Dodos; School Of Seven Bells; Frog Eyes; The Besnard Lakes; Neu!; The Antlers; Stereolab; The Jesus And Mary Chain; Gold Panda; Arcade Fire; Ride; The Morning Benders; Volcano Choir; Neutral Milk Hotel; Silver Jews; Stephen Malkmus; Wild Beasts; M83; Radiohead
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