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Die Kassierer - Physik

Die Kassierer- Physik

Teenage Rebel / Cargo
VÖ: 24.09.2010

Unsere Bewertung: 4/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Pimmel, Arsch und Hirn

Wo bei anderen Bands die Karriere sitzt, fand sich bei den Kassierern stets eine breiige Ekelmasse aus Arschwasser, Sperma, plörrigem Bier und Talg. Eine, die anständigen Menschen die Schames- und empfindsamen Künstlernaturen wie Kollege Oliver Ding die Zornesröte ins Gesicht trieb. Ersteren, weil die vollständig entgrenzte Asozialität zwischen "Arsch-Dur und Fick-Moll" auf der bürgerlichen Skala frevelhaften Verhaltens in der Form gar nicht vorstellbar war. Und letzterem, weil diese satirische Überzeichnung einer unerträglich billigen und räudigen Proll- und Stumpfpunkposse laut gleichnamigem Tribute-Album dann auch noch "Kunst" sein sollte, und nicht nur ein Haufen dampfender Anarchohumoristen-Kacke.

Man muss deshalb nochmal kurz festhalten: Seit den späten 1980ern haben die Kassierer eine Niedrigstmarke nach der anderen vorgelegt, sich zum Genitalherpes der deutschen Musikkultur aufgeschwungen, und ihre bumsfidele Intellektverleugnung immer wieder weit über die Grenzen des Erbrechens strapaziert. Aus dieser Goldenen Ära um die Alben "Der heilige Geist greift an" und "Habe Brille" sind denn auch ausschließlich Welthits wie "Gott hat einen IQ von 5 Milliarden", "Stinkmösenpolka", "Rudelfick im Altersheim", "Grosses Glied", "Ich bin Jesus und kann alles" und noch drei Dutzend weitere Glanztaten überliefert. "Männer, Bomben, Satelliten", das erste Album nach dem Millenium, war dann aber tatsächlich so, wie Satire nie sein sollte: halbwitzig und ohne Biss.

Was leider auch auf "Physik" zutrifft: Aus der ohnehin recht unmotiviert konstruierten Fallhöhe zwischen Naturwissenschaft und Asi-Punk machen die Wattenscheider erstaunlich wenig. Der "Drillinstructor-Song" ist eine pointenfreie Mitgröhl-Zote, die so ähnlich auch Mickie Krause eingefallen wäre, und ein Rolf-Zuckowski-Weihnachtslied in die "Wirtshausschlägerei" umzudichten, löst auch eher ein Gähnen aus. Tabus werden hier weder ge- noch erbrochen, sondern mit "Das Lied vom Kot" höchstens sanft geknickt. Übrig bleibt Rammstein-Diskomusik mit Gaga-Text, die für sich keinen Lacher hergibt. "Mir ist alles piepe"? Gutes altes Punker-Latein, das leider auch auf die die Songs gemünzt sein könnte. Erwartbar stark ist dagegen die Georg-Kreisler-Leihe "Was für ein Ticker ist ein Politiker", den die Band offenbar so schätzt, dass sie sein Lied einfach unbesudelt wiedergibt.

Die Krux: Die eine Hälfte von "Physik" suggeriert dem Hörer, dass hier der gewohnt fäkale und genitale Vorschlaghammer der Kassierer wütet - und enttäuscht durch biologische Beißhemmung und unökonomische Ideenverknappung. Die hörenswerte andere Hälfte wiederum, die ihre ernst gemeinten Gesellschaftskommentare für "Zitronenhai" oder "Nieder mit die Arbeit" auch schon mal aus den 1920er Jahren borgt und unter Dilletantenpunk und Juxstimmung vergräbt, wird davon schnell übertönt. Dass sie funktionieren könnte, weiß man spätestens seit dem exzellenten Kreisler-Coveralbum "Taubenvergiften" von 1998. Im Jahr 2010 bekommen die Kassierer die Abfahrt in Richtung Meta-Humor leider nur in den wenigsten Fällen. "Radioaktivität!" zeigt seine Qualitäten zwar sogar oberhalb der Gürtellinie. Größere Teile des Albums sind aber für niemanden lustig. Oder wenigstens eklig.

(Dennis Drögemüller)

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Highlights

  • Ich fick dich durch die ganze Wohnung
  • Radioaktivität!
  • Was für ein Ticker ist ein Politiker?

Tracklist

  1. Physikalisches Intro
  2. Nieder mit die Arbeit
  3. Ich fick dich durch die ganze Wohnung
  4. Drillinstructor-Song
  5. Ich war ein Spinner
  6. Das Lied vom Kot
  7. Radioaktiv!
  8. Schönes Universum
  9. Mir ist alles piepe
  10. Quantenphysik
  11. Verliebt in Whisky, Bier und Wein
  12. Im Sauerland kann man teleportieren
  13. Ich niese immer Scharlatan
  14. Zitronenhai
  15. Wirtshausschlägerei
  16. Was für ein Ticker ist ein Politiker?
  17. Sonnenfinsternis in Lissabon
  18. Erfindungen
  19. No future, das war gestern
  20. Der Song von den brennenden Zeitfragen
  21. Der Mann, der rückwärts spricht
  22. Grüße und Dank

Gesamtspielzeit: 52:39 min.

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