Carlos Reisch - Need to dance

Baxxbeat / Our
VÖ: 15.07.2010
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Den Flow ins Ohr gesetzt
An manchen Tagen juckt es in den Hosenbeinen. Es kribbelt in den unteren Extremitäten, und schon beim leisesten Klappern des Geschirrspülers wippen die Füße im Takt. Vom Soul der dreckigen Teller einmal abgesehen, bleibt einem dann kaum etwas anderes übrig, als sich in Bewegung zu versetzen. Was würde sich da mehr anbieten, als an einem lauen Sommerabend durch die Gassen zu spazieren und einfach die Welt mal Welt sein zu lassen? Vermutlich kennt das 10-köpfige Klangkollektiv hinter dem Namen Carlos Reisch solche Tage nur zu gut. Denn auf ihrem Debüt "Need to dance" gibt es entspannten Funk, der seine Takte zu zügeln weiß und trotzdem die Gitarren schwitzen lässt. Unaufgeregt drückt der Soul auf manches Stück, doch der Flow zieht sich mit der immergleichen gelassenen Geschwindigkeit durch das ganze Album.
Alleine schon durch diese dauernde Arbeit bohren sich die Beats und Brüche ins Gedächtnis. Es ist fast unmöglich, sich den Bläsern zu widersetzen, wenn sie in "Control your mind" hinter einer leichten Gitarrenlinie pendeln. Ein "You just need to dance" wurde einen Song später noch nie so charmant ausgerollt. Das liegt vor allem an den drei Soulstimmen, die sich nie nach vorne drängen. Kein Wunder also, dass die Reime in allen möglichen Sprachen und Versatzstücken darüberknallen können, bevor sie sich wieder in den Rhyhtmus versenken. Rainer Pirzkall weiß dabei aber auch, wann er seine Zeilen dem Bandsound unterordnet. Etwa in "Not a question", das der Queen of Soul Erykah Badu huldigt. Der Beat kickt vor sich hin und lässt sich auch von dem Stürmchen von Gitarre und Saxophon nicht großartig beeindrucken. Durchweg sind die einzelnen Teile hier mehr als ihre Schichten. Vielmehr verschmelzen sie ineinander - und das auf allen Ebenen.
Leichtfüßige Grooves, die "Need to dance" in sich geschlossen und das Stück auf diese Weise erfreulich einfach halten, sorgen dafür, dass diese Mischung aus Soul, Funk, HipHop und Jazz nie verkrampft, sondern etwas Eigenständiges entwickeln kann. Beliebigkeit kommt dabei nie auf. Carlos Reisch schaffen es, sich in einem Genre, das nur so vor Zitatfallen strotzt, unverbrauchte Melodien zu erspielen, die trotzdem den Hut vor den Vorbildern ziehen. Die Hütte könnte jeder Zeit abgebrannt werden, aber Carlos Reisch geben sich dann an manchen Stellen doch zu unterkühlt. Der Wahnsinn findet sich noch nicht in jedem Takt, sondern schwebt über dem ganzen wie ein Versprechen für die Zukunft. Macht aber nichts. Die Füße wippen erstmal, der Kopf nickt. "Come on, check the horns of Carlos Reisch." Der Flowzirkus läuft und läuft und läuft.
Highlights
- Control of your mind
- To the moon
- Not a question
Tracklist
- Intro: The birth of rhythm
- First love
- Control of your mind
- Need to dance
- Interlude I: Ach was soll's
- To the moon
- They just say yes
- Not a question
- Interlude II: Joe Coltrane!
- One for the treble
- Do the hop
- Interlude III: Nochmal ganz
- Reason to party
- Outro: Donkey of funk
Gesamtspielzeit: 55:40 min.
Referenzen
Jamiroquai; Jazzkantine; Manu Chao; The Roots; Babylon Circus; Fettes Brot; Asian Dub Foundation; Jurassic 5; Jan Delay; Mardi Grass.BB; Funkadelic; Curtis Mayfield; Moloko; Prince; Jamaram; Fat Freddy's Drop; Jahcoustix; Sly & The Family Stone; Herbie Hancock; The J.B.'s; War; Parliament; James Brown; Erykah Badu; Nils Landgren Funk Unit; Sharon Jones & The Dap-Kings; The Budos Band; Hypnotic Brass Ensemble; Quantic Soul Orchestra; Mayer Hawthorne; Q-Tip; De La Soul; A Tribe Called Quest; Plan B; The Sugarman 3; The Daktaris; Fela Kuti; Ugly Duckling