Mount Kimbie - Crooks & lovers

Hotflush / Al!ve
VÖ: 23.07.2010
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Urbane Idylle
Mal ehrlich: Es weiß doch 2010 kein Schwein mehr, was Dubstep ist. Die klassischen, Mark und Bein erschütternden Wobblebass-Orgien gibt es zwar weiterhin, drumherum aber wird das Tempo heruntergefahren, schleppender Halfstep durch gerade Technobeats, Endzeitstimmung durch Funkyness ersetzt. Hier piepsen 8-Bit-Sounds, dort wird Rave zugunsten von Percussionexperimenten verworfen. Selbst R'n'B ist kein Schimpfwort mehr, vom eng verwandten, besser gelaunten UK Garage ganz zu schweigen. Auch "Crooks & lovers", das Albumdebüt des englischen Duos Mount Kimbie, hat oft mit Dub so viel zu tun wie Investmentbanking mit Kommunismus.
Schon 2009 ließen Kai Campos und Dominic Maker mit den EPs "Maybes" und "Sketch on glass" die innovationsversessene elektronische Musikszene aufhorchen. Aus dem Nichts heraus war dieser ganz eigenständige, aus unterschiedlichsten Versatzstücken zusammengesetzte Sound aufgetaucht, der trotz verschiedener Dubstep-Anleihen mehr mit ambienter Electronica Richtung Four Tet, Aphex Twin oder Boards Of Canada gemein hatte als mit Bassgewittern. Hochgepitchte Stimmfetzen zu Garagerhythmen, die sich im wie Spinnennetze aufgespannten Percussionklackern verfangen, kaum zu identifizierende Geräusche, die aus der Dunkelheit tropfen und die Melancholie um eine mysteriöse, verstörende Note bereichern, die auch zu einem David-Lynch-Film passen würde.
"Crooks & lovers" führt diesen Patchwork-Soul für die Industrieruinen des 21. Jahrhunderts konsequent fort, lässt aber in die Einsamkeit und Düsternis eines Tracks wie "Maybes" deutlich mehr Sonnenstrahlen hinein. Die Stücke gleichen eher einem Spaziergang durch die Stadt, bei dem alle Sinne geöffnet sind für die Nebengeräusche und Zwischentöne des urbanen Lebens. "Tunnelvision" richtet den Blick auf Straße und Schienen, die unter der Erde verschwinden, der Verkehr stampft dumpf vorbei, eine Stimme wiederholt zu automatischen Gitarrengriffen ein paar halbbewusst gesungene Worte. "Would know" steht an einer Straßenecke und schaut zu entspanntem Halfstep dem ewigen Stop-and-Go des vorbeifließenden Verkehrs zu. "Before I move off" verdreht zu disharmonischen, extrem verhallten Saitentönen verzweifelt die Augen zum Himmel, ehe die Wortkaskaden eines Ehekrachs in der Nachbarwohnung das Kommando übernehmen.
Mit dem bleependen Garagetrack "Blind night errand" und dem swingenden "Mayor" hält "Crooks & lovers" auch zwei clubtaugliche Stücke bereit. Das verrauschte "Carbonated" lässt es dagegen ruhiger angehen und kombiniert eine in sich selbst versunkene Spieluhrmelodie und Klick-Klack-Percussion mit weiblichen Soulstimmen. Viel Trost braucht das im Zeitlupentempo herumschlurfende "Ode to bear", dem zu trauriger Melodica und verhaltenen Gitarrentönen dicke Tränen über die Wangen kullern. Emotional aufwühlend ist freilich auch dieses Stück nicht. Das ist aber auch gar nicht die Absicht dieser gerade einmal 35 Minuten langen Platte, die den Blick viel eher auf die kleinen Dinge richtet, die abseits des großen Trubels passieren. Eine Art CCTV der Randgeschichten - nur in gut.
Highlights
- Would know
- Before I move off
- Blind night errand
- Ode to bear
- Mayor
Tracklist
- Tunnelvision
- Would know
- Before I move off
- Blind night errand
- Adriatic
- Carbonated
- Ruby
- Ode to Bear
- Field
- Mayor
- Between time
Gesamtspielzeit: 35:22 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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MopedTobias (Marvin) Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion Postings: 20172 Registriert seit 10.09.2013 |
2014-12-10 23:20:52 Uhr
Und ein Thread namens "Theorien zu Castorps Verschwinden" hat 912 Posts. Diese Welt ist hart und ungerecht. |
Holden Postings: 350 Registriert seit 17.11.2013 |
2014-12-10 20:41:44 Uhr
Na schon witzig hier. Eines der besten Alben der letzten Jahre, Threaderöffnung 4,5 Jahre nach VÖ.Und irgendsoein Omar Rodriguez-Geklimpel hält hier nach einem halben Jahr bei 178Posts. |
MopedTobias (Marvin) Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion Postings: 20172 Registriert seit 10.09.2013 |
2014-12-10 19:27:54 Uhr
Danke, werd ich bei Gelegenheit auch mal reinhören, komm zur Zeit aber nicht von Crooks & Lovers los. Would Know ist der Übertrack, was ein Brett. |
saihttam Postings: 2624 Registriert seit 15.06.2013 |
2014-12-10 12:58:55 Uhr
Das stimmt! :)Der Nachfolger ausm letzten Jahr ist übrigens auch nicht schlecht, hat aber auch richtige Vocalpassagen, unter anderem von King Krule! |
MopedTobias (Marvin) Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion Postings: 20172 Registriert seit 10.09.2013 |
2014-12-10 09:41:27 Uhr
Ich weiß, aber das Album an sich hatte noch keinen Thread, obwohl es eindeutig einen verdient ;) |
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Referenzen
James Blake; Darkstar; Burial; The xx; Four Tet; Boards Of Canada; Aphex Twin; Sepalcure; Martyn; Deadboy; Joy Orbison; Grouper; Xela; Joe; Untold; Ramadanman; Bonobo; Floating Points; Andreya Triana; Appleblim; Zomby; Wookie; Pangaea; Sbtrkt; Actress; Amon Tobin; Flying Lotus; Matmos; Isan; Console; Pole; Dntel
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