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Deftones - Diamond eyes

Deftones- Diamond eyes

Warner
VÖ: 30.04.2010

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Zeugen der Anklage

Während des ersten Hördurchlaufs von "Diamond eyes" keimen viele Fragen auf: Sind die Deftones zu einer beliebigen formatradiotauglichen Nu-Metal-Kapelle verkommen, die es mit kommerziell kalkulierten, seicht-melodiösen Mitsing-Refrains noch einmal wissen will? Klemmte die "Loudness war"-Taste am Mischpult von Produzent Nick Raskulinecz? War die Entscheidung der Band berechtigt, ein komplett fertiges Album mit dem Arbeitstitel "Eros" in der Schublade verschwinden zu lassen, um dann mit "Diamond eyes" ein komplett neues einzuspielen?

Obwohl die gleichnamige Single, die den Opener des Albums bildet, zumindest in bester Deftones-Manier zermürbend, wenn nicht gar etwas langweilig ist; obwohl Raskulinecz ein Faible für extreme Lautheit und satte Produktion hat; und gerade weil Bassist Chi Cheng aufgrund eines schweren Autounfalls noch immer das Krankenbett hüten muss und die Band ohne ihn nicht ihre gemeinsam geschriebenen neuen Songs spielten wollte, lässt sich feststellen: "Diamond eyes" ist trotz all der nur vordergründig falschen Entscheidungen ein vielschichtiges, tiefgehendes Album geworden. Eines, das den Deftones-Kosmos zwar nicht erweitert, innerhalb dessen die Band ihren Stil aber weiter perfektioniert.

Druckvoll bis schnell gespielte, shoutinggezeichnete Songs wie "Royal" und "CMND/CTRL" bilden das eine Extrem, glanzvolle Balladen wie "Sextape" und "976 evil" das andere. Dazwischen lockern lässig treibende Nummern wie "Prince" und "This place is death" das Geschehen auf. Nicht nur beim Sadomaso-Song "Rocket skates", der sich geradezu im Schlagzeugbad suhlt, sollten Eltern auf die Ohren ihrer Kinder achten. Die Vielseitigkeit von "Diamond eyes" zeigt sich bei dem zwischen Soundscapes und bassigem Groove oszillierenden "You've seen the butcher" und dem kryptischen "Beauty school", das in seinem Arrangement delayversetzter Gitarrenbögen an "Hole in the earth" erinnert. Hier nehmen Deftones Ihr Soundrepertoire derart fragmentarisch auseinander und setzen es neu zusammen, dass der Hörer sich mehr davon wünscht.

Eher experimentelle oder gar instrumentale Nummern wie "U, U, D, D, L, R, L, R, A, B, select, start" oder "Pink cellphone" auf "Saturday night wrist" sucht man vergebens. Dass Moreno, Carpenter, Cunningham, Delgado und Aushilfsbasser Sergio Vega vorerst Pro Tools eingemottet und dem direkten Spiel den Vorrang gegeben haben, tut der Hörfreude aber keinen Abbruch. "Diamond eyes" ist eine songorientierte Platte geworden, die mit eingängigen Gesangslinien, druckvollen Balladen und einem immer wieder schleichenden Übergang von Brachial- in echtes Edelmetall aufwartet. Das obligatorische tiefenlastige Gitarrenbrummeln nicht zu vergessen. Das, nebenbei bemerkt, wie immer dafür sorgt, dass viele Songs sich nicht nur als Alternative Rock, Metal oder (Post-)Grunge, sondern auch als Ambient goutieren lassen.

Wie die früheren Alben der Deftones lebt "Diamond eyes" in erster Linie von seiner Atmosphäre. Irgendwo zwischen den satten Gitarrenwänden, dem irren Schlagzeuggewitter, Chino Morenos wechselndem Singsang-Geschrei und den noisigen Lärmeskapaden blitzt eine merkwürdig behagliche, spannungsgeladene Grundstimmung durch. Morenos fantasievollen, surrealistischen Lyrics fügen der Sogwirkung einen weiteren Überdruck hinzu. Kann Musik beklemmend und frei zugleich klingen? Mit dem Meisterwerk "White pony" hat der kalifornische Fünfer vor einer Dekade die Beweisführung aufgenommen. Einen weiteren Kronzeugen der Anklage präsentiert "Diamond eyes".

(Christoph Behrends)

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Highlights

  • You've seen the butcher
  • Prince
  • Risk

Tracklist

  1. Diamond eyes
  2. Royal
  3. CMND/CTRL
  4. You've seen the butcher
  5. Beauty school
  6. Prince
  7. Rocket skates
  8. Sextape
  9. Risk
  10. 976 evil
  11. This place is death

Gesamtspielzeit: 41:23 min.

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User Beitrag

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 33669

Registriert seit 07.06.2013

2021-12-27 15:05:06 Uhr
Funfact: "Prince" klint in der ersten Hälfte wie "Digital bath".

Bist du sicher, dass es nicht eher nach seinem weiblichen Pendant auf "White pony" klingt? :)

James Bondage

Postings: 58

Registriert seit 09.10.2021

2021-12-27 14:37:08 Uhr
Lediglich der Rausschmeißer fällt ein wenig ab. Merke: Man sollte das schlechtes Lied nie an den Schluss setzen, weil sonst jeder merkt, dass der Band gegen Ende hin die Ideen ausgegangen sind. "The place is death" ist kein schlimmer Song, aber für Deftones-Verhältnisse weit unten.

James Bondage

Postings: 58

Registriert seit 09.10.2021

2021-12-27 14:07:26 Uhr
Lustig: "Sextape" ist mein persönlicher Favorit auf der Platte.

Hab die Diamantenaugen gestern nochmal intensiv gehört und es ist schon ne richtig gute platte, die aber keine große Bögen spannt und die Songs eher für sich stehen. Würde man die Reihenfolge der Lieder ändern, würde das dem Hörgenuss keinen Abbruch tun. Das ist bei einer Deftones-Platte ungewöhnlich.

Vielleicht geht das Album deshalb in der Discographie der Band etwas unter. Weil es verhältnismäßig wenig zu entdecken gibt und ihr ein wenig die Aura des Mysteriösen fehlt.

Trotzdem ne starke Platte. ich gebe ne (schwache) 8/10.

Funfact: "Prince" klint in der ersten Hälfte wie "Digital bath".




Thanksalot

Postings: 574

Registriert seit 28.06.2013

2020-10-04 10:12:37 Uhr
Jup, macht einfach nur Spaß, die Platte. Wobei ich "Sextape" immer skippe, der gibt mir gar nichts.
Vor allem aber habe ich sie damals beim Erscheinen (und eigentlich immer noch) als bemerkenswertes Lebenszeichen der Band gesehen, angesichts Chi Chengs damaligen Zustands. Eine richtige Flucht nach vorne sozusagen. Das macht sie zumindest für mich zu etwas Besonderem in ihrer Diskografie, auch wenn sie bei Weitem nicht das komplexeste Werk ist.

Eliminator Jr.

Postings: 1265

Registriert seit 14.06.2013

2020-10-01 22:05:40 Uhr
Risk ist mein heimlicher Liebling. Chinos beste, weil sehnsüchtig-croonendste Performance auf dem Album. Überhaupt spart man sich hier die besten Songs alle fürs letzte Viertel.

Habe ich in den vergangenen Jahren mehr und mehr zu schätzen gelernt. Tolles Album.
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