Shy Child - Liquid love
Wall Of Sound / PIAS / Rough Trade
VÖ: 19.03.2010
Unsere Bewertung: 4/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Wie einst Cindy & Bert
Manchmal ist der eingeschlagene Weg doch der spannendere. Statt die Gasse des Debüts "Noise won't stop" zu betonieren, haben sich Shy Child nicht nur für eine andere Spur entschieden. Vielmehr haben sie direkt die nächste Ausfahrt genommen und danach die Auffahrt zur Wohngemeinschaft von Erika Mustermann, Jon Doe und Fred Bloggs angepeilt. Dynamik ade, Soundkosmos juche. Da können Pete Cafarella und Nate Smith noch so sehr versuchen, "Liquid love" in sich stimmig zu biegen. Alles wurde auf einen gemeinsamen Nenner reduziert, so dass sich dieses Album unterm Strich im angestaubten Electropop wiederfindet. Da hilft auch kein Feudeln und kein Pusten.
In "Disconnected" stöckeln Beat und Melodie cindyundbertesk die Showtreppe hinunter. Groß angelegte Electronics schwelgen um die Wette in Selbstgefälligkeit, von Tempo keine Spur. Vom Vorgänger bekannte Hits wie etwa "Drop the phone" sind in diesem Korsett gar nicht denkbar. Shy Child treiben Songs wie "Take us apart" konsequent jede Spontaneität aus: Melodie hochfahren, hier ein wenig Dümpeln, da noch ein Beat und fertig. Das würde kaum stören, wenn solche platten Ideen nicht auch noch bis auf vier Minuten ausgewalzt würden. Mal einen Punkt machen ist nicht die Stärke von "Liquid love". Auch beim längsten Stück "Criss cross" popelt der Groove bräsig in der Rhythmik, flirrende Synthiesounds bilden einen dichten Teppich, das Sprachsample strebt gegen überflüssig. Immerhin: Wenigstens macht dieses Stück noch Spaß. Nur dann, wenn "Liquid love" nicht permanent im Narzissmus versinkt und sich stattdessen auf engstem Raum selbst zum Fertigwerden zwingt, entstehen Songs wie "The Beatles". Der erweist sich nämlich als ausgereifter als alles zusammen, was sich danach noch versammelt. Die Melodie gibt genug her, die Discolichter blinken verführerisch. Erstaunlich, dass all das plötzlich für ein paar Minuten funktioniert, obwohl die Regler nur ein wenig anders stehen und an den Beats auch nicht groß geschraubt wurde. Dann ist abrupt Schluss, und es entsteht der Eindruck, dass da jemand endlich mit der Schere das Tonband durchgeschnitten oder freundlicherweise die ESC-Taste gedrückt hat. Auch "Strange emotion" zappelt ein wenig, nutzt jedoch seinen Bass effektiver, baut verzerrte Stimmen ein und zeugt von einer auf diesem Album seltenen Spielfreude.
Der permanente Gleichklang wird "Liquid love" jedoch zum Verhängnis. Die beabsichtigte dichte Atmosphäre gelingt nicht, die Melodien hinken dem Sound deutlich hinterher. Breite Synthieklänge alleine füllen eben noch keine Tanzfläche. Shy Child sollten sich von dieser Teeparty schleunigst verabschieden. Dann werden sich die Wolken öffnen und eine zärtliche Stimme wird ihnen hoffentlich ins Ohr flüstern: "Biegen Sie links ab, dann fahren Sie auf die Autobahn!"
Highlights
- Criss cross
- The Beatles
Tracklist
- Liquid love
- Disconnected
- Take us apart
- Criss cross
- The Beatles
- Open up the sky
- ESP
- Depth of feel
- Strange emotion
- Dark destiny
Gesamtspielzeit: 47:18 min.
Referenzen
Bloc Party; MGMT; Groove Armada; Klaxons; Foals; Passion Pit; Animal Collective; Soulwax; Digitalism; The Rapture; The Postal Service; Hot Chip; Junior Boys; Little Boots; La Roux; The Killers; Yeah Yeah Yeahs; LCD Soundsystem; !!!; Oneida; Shitdisco; Trash Fashion; Metronomy; Does It Offend You, Yeah?; Gossip; The Whip; International Pony; Datarock; Friendly Fires