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Nervous Nellie - Why dawn is called mourning

Nervous Nellie- Why dawn is called mourning

Hazelwood / Rough Trade
VÖ: 19.03.2010

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Ein-Viertel-Takt

Es muss lustig zugehen, im Künstlerbezirk SoFo im schwedischen Södermalm/Stockholm. Geisteshaltung und Akronym des neuen In-Scene-Stadtteils werden dabei selbstverständlich vom New Yorker Viertel SoHo abgeleitet - und so treffen sich hier wie dort Modeschöpfer, Kleinkünstler und allerlei sonstige Bohème am Rande von Existenzminimum und Nervenzusammenbruch zum fröhlichen Wundenlecken via Egokraulen. Kein Wolkenkuckucksheim also, eher schon eine Elfenbeinblockhütte - handgedengelt und mundgeblasen, versteht sich. Doch damit nicht genug: Geschäftstüchtig, wie die Schweden scheinbar auch sind, haben sie sich ihre Namensmimikry vom heimischen Patentamt schützen lassen. Da kann man doch gerne mitziehen und bezeichnet derartige Verdunklungssstrategien zukünftig als Plagiammage. Woraufhin sich die Nutzungsrechte unter dem Host Schattentests.de sichern ließen.

Ohne es zu weit zu treiben, kann man auch die Plagiammage schwedischen Musizierens versuchsweise auf folgende Formel zusammenpressen: Der Import anglo-amerikanischen Liedguts wird hier mit einer Energie und Hingabe betrieben, dass die Kopie auf einmal in allen Belangen heller, wilder und aufregender strahlt als alle Originale zusammen. Auch Nervous Nellie drücken sich nun schon länger an den Rändern SoFos herum, trinken Kaffee, Tee und Gottweißwas. Sie spielen psychedelisch angefixten Folk, mit näselndem Billy-Corgan-Gesang sowie dem gewissen Fußgängerzonen- und Jinglejangle-Vibe - kamen allerdings mit dem Vorgänger "Ego and the Id" doch um einiges standhafter, nachdrücklicher und in einzelnen Songs genialistischer daher.

Auf "Why dawn is called mourning" gibt das doppelte Brüderpaar der Johnsons und Johanssons (erstere mit, zweite ohne Bart - dies als erkennungsdienstlicher Hinweis, damit auf den Straßen SoFos nicht eine einzige, überflüssige Silbe für Ärger sorgt) hingegen einige Rätsel auf. Die Songs sind überaus gut, die Arrangements jedoch wirken verspult, kommen nur selten zum Punkt, trauen den einfachen Melodien einfach nicht mehr. Der etwas laffe Country von "Smile of your own" ist hier nur die Spitze des Eisberges. Auch "Road song" und "Ol' Simone" schlittern trotz ihrer jeweils wunderschönen Schlusssätze quasi automatisch in eher traditionelle Gefilde. Womit dann auch manche Beatles- und Beach-Boys-Harmonien gemeint sind, die zwischen Überzucker- und Verwilderung durch die Refrains stromern. Ein Ausbruch aus ihrem Traumreich - sei es befeuert durch den anziehenden Noise-Pop, die schlichte Balladenhaftigkeit oder die kindliche Emphase des Vorgängers - gelingt Nervous Nellie damit nur selten einmal.

Zu nennen sind hier "Final day" mit seinem tiefen Klavier zu einem Sebadoh-Riff und synkopiertem Basslauf. Das Beatles-Wiegenlied "Some time". Oder "Long as can be", in dem Sänger Henrik Johnson seinen Corgan mit einer guten Portion Axl Rose sowie verwirrenderweise ganz ohne Bart austreibt. Und dessen hochwillkommenes Pathos zur Mitte hin in die dunkelsten Gefilde hinabsteigt - bevor Klavier, Gitarren, Bass und Schlagzeug einen Auftakt finden, der den Refrain wie ein jubilierendes Stoßgebet emporsteigen lässt. Auch sonst bietet "Why dawn is called mourning" durchaus kleine Kunst en masse, die sich jedoch mit ihrem Namensvetter das Schicksal teilt. Verachten, wie einst Tocotronic, muss man sie dafür beileibe nicht. Ein wenig mehr Wut auf die eigene Seifenblase stünde dem Album allerdings gut zu Gesicht.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights

  • Final day
  • Long as can be
  • Some time

Tracklist

  1. Final day
  2. Ol' Simone
  3. Long as can be
  4. Bee hive
  5. Some time
  6. Road song
  7. Meet me in the stars
  8. Smile of your own
  9. Much to young
  10. Be asleep
  11. West is the best

Gesamtspielzeit: 43:07 min.

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